Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Lareeb Khan / 01. Dezember 2015

Am 01. Dezember 2015 fand der letzte Verhandlungstag im Ehrenmord-Prozess in Darmstadt statt. 

 

Das Urteil
Die beiden Angeklagten wurden wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt.


Zur Begründung führte das Gericht aus:
Es bestehen keine Zweifel, dass Lareeb getötet wurde, weil sie ihre Liebe leben wollte, und, wie sich aus dem Diebstahl der Kondome ergab, dies auch körperlich. Und das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass die Tötung von Lareeb von den Eltern gemeinsam beschlossen wurde. 


Das Gericht schickte voraus, dass es wohl eines der großen Probleme der Eltern Khan war, dass sie in einer Parallelgesellschaft lebten, und dass ein derartiges Leben dem Einzelnen viel abforderte: Er muss mit den Werten der Aufnahmegesellschaft klarkommen. Es geht auch nicht darum, dass diese Aufnahmegesellschaft moralisiert, sondern es ist, wie in jedem Fall, nach der Schuld des Täters zu urteilen. 


Der Vater hatte die Durchführung der Tat gestanden. Das größere Problem war die Bewertung der Beteiligung der Mutter an der Tat.


Das Gericht hatte keine Zweifel, dass bei den unterschiedlichen Einlassungen (bei der Polizei und bei Gericht) die zweite Äußerung bei der Polizei, als man den Eltern die Fotos von Lareebs Leiche vorlegte, die Richtige war. Der Vorsitzende zitierte: „Ich bin dann wach geworden und habe meiner Frau, die auch wach war, gesagt, dass ich meine Tochter jetzt umbringen werde…Meine Tochter hat geschlafen, sie lag auf dem Rücken. Ich habe mich dann auf ihren Bauch gesetzt. Ihre Arme lagen unter der Decke. Ich habe mich dann so hingekniet, dass mein rechtes Bein ihren rechten Arm einklemmte und das linke Bein ihren linken Arm. Sie konnte sich so nicht wehren, weil ich sie ja eingeklemmt hielt. Und dann habe ich sie gewürgt.“


Man beschreibt so etwas nicht, wenn es nicht so gewesen ist. Das sagt man nicht einfach so. 


Diese Äußerung entspricht im Übrigen auch dem, was die Mutter in ihrer (zweiten) Aussage geäußert hatte. 


Dann gab es noch das Video der Überwachungskamera: Jeder konnte sehen, dass dieses den Angaben der angeklagten Mutter entspricht.


Wer seine Tochter im Schlaf fixiert und sie über Minuten würgt, der hat den unbedingten Vernichtungswillen, den Willen, eine 19-Jährige zu töten.  Und wer so handelt, wer sein eigenes Fleisch und Blut im Schlaf tötet, muss ein Motiv haben, dies zu tun – und benötigt eine Vorplanung. Einen solchen Entschluss fasst man nicht einfach so. Das muss ein Plan gewesen sein. 


Nach Angaben der Mutter war der Grund, „dass sie mit Männern schläft“. Diesem Grund kann man auch anders als durch Tötung begegnen, aber –auch hier wurde die Mutter zitiert-: „Es kam nicht in Betracht, sie der Familie zu verweisen, weil ICH Angst hatte, dass unsere Ehre verletzt wird, wenn schlechte Sachen von unserer Familie nach draußen dringen.“


Wer also wofür verantwortlich war in der bekannten Vorgeschichte (Raheel, seine Eltern..) kann daher dahingestellt bleiben, denn es ging ausschließlich um das „Nach-außen-dringen“, dass man nicht mehr so leben kann wie zuvor.


Für Außenstehende mag das kein Motiv sein, aber das Motiv ist das, was der Täter als solches sieht. 


Weiter zitierte das Gericht die Mutter: „Wir wollten sie zur Rede stellen, und wenn der Streit zu arg wird, dann kann sie auch sterben." 


Dieses angebliche „Zur-Rede-Stellen“ wertete das Gericht als Ausrede, um vom Mordmerkmal der Heimtücke wegzukommen. Das Abkleben der Kamera und die „Übung“ mit dem Schirm zeigen vielmehr, dass alles geplant war. So etwas macht man nur, wenn der unbedingte Wille zur Tat schon zu dem Zeitpunkt vorhanden ist.


Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass es vor der Tötung keinen Streit gegeben hatte und dass Lareeb schon gar nicht die Hand gegen den Vater gehoben hatte. Die von ihr an Raheel gesandte Nachricht gegen 01:00 Uhr in der Nacht „ich kann nicht schlafen“ bezog sich sicher nicht auf irgendeinen Streit, denn Lareeb hatte in Raheel unbedingtes Vertrauen und hätte ihm sicherlich von einer solchen Auseinandersetzung berichtet. 


Man muss das alles nicht gemeinsam proben, wenn man die Vorgehensweise nicht gemeinsam geplant hat. 


Das Gericht wies auch darauf hin, dass es Frau Khan war, die sagte: „ICH hatte Angst, dass es öffentlich wird. "Sie liebte ihr Leben in der Gemeinde und sie wollte sich diese Art des Lebens nicht durch ihre Tochter gefährden lassen. Das von Wagishauser angesprochene „Verstoßen“ war für Frau Khan keine Option, denn es wäre etwas öffentlich geworden, was nun nicht mehr sanktionierbar war, nämlich der voreheliche Geschlechtsverkehr. 


Die Mutter hatte sich den Überlebenskampf ihrer Tochter 5 Minuten lang angesehen. Dass dies aus Angst vor dem Ehemann geschehen war, sei nun völlig unglaubwürdig. Wäre es so gewesen, hätte man sich nicht eine gemeinsame Geschichte ausgedacht. Auch dass Lareeb von Frau Khan noch umgezogen wurde und diese noch die Tasche mit den Schulsachen packte, spricht für eine gemeinsame Planung. Dass allein archaische Strukturen so weit gehen, dass Herr Khan sicher sein konnte, dass seine Frau weder ihn an der Tat hindert noch später nicht alles mitmacht, ist zweifelhaft. Absolut verlassen auf seine Frau konnte sich Herr Khan nur, wenn beide das gleiche Motiv, nämlich die Ehre, als Beweggrund für die Tat sahen. „Ich kann das als Mutter nicht machen, wenn ich nicht auch ein eigenes Interesse verfolge“ so das Gericht. 


Eine Frau, die so abhängig von ihrem Mann in so überkommenen archaischen Strukturen lebt – kopiert die eine Strafanzeige? Es sei arrogant, wenn man Frauen aus anderen Kulturkreisen als so abhängige Wesen sieht. Und Frau Khan ist sicher nicht eine solche Frau, wie auch ihr letztes Wort gezeigt hat. Es greift zu kurz, wenn nur gesagt wird, die Frau ist die Schwache: Sie hatte ein Eigeninteresse an der Tat und mehrere Beiträge geleistet. Es gehört schon etwas dazu, zuzusehen, wie man das gemeinsame Kind tötet – so schwach kann keine Frau, die Mutter ist, sein.


Bei dem Leben in 2 Wertsystemen geht bei einer Exkommunikation ein wichtiger Teil verloren. Auch dies ist für uns schlecht nachvollziehbar, aber die Gemeinde war eben das Leben der Khans. Eine Gemeinde lässt die Leute allein, wenn sie einfach nur sagt, Ihr könnt ja austreten, so wie Wagishauser das geäußert hatte. 


Der niedrige Beweggrund liegt vor. Es deutet auf Arroganz hin, wenn man einfach sagt, so ein Ehrenmord wäre im Herkunftsland so üblich und dort nicht besonders verwerflich. Wenn einem anderen das Lebensrecht abgesprochen wird, ohne dass dieses Opfer einen Grund gesetzt hat, dann spricht die Vermutung dafür, dass ein niedriger Beweggrund vorliegt. 


Soweit angesprochen wurde, dass man auch das Verhalten von Lareeb und Raheel berücksichtigen müsse, so sagte der Vorsitzende klar und deutlich, dass unsere Gesellschaft darüber hinweg sei, einer erwachsenen Tochter und ihrem Freund Vorschriften zu machen. Es wäre ein Rückschritt, ein solches Verhalten nun wieder gutzuheißen; hier besteht auch eine Verantwortung für die gesamte Gesellschaft. 


Die „besondere Schwere der Schuld“, deren Feststellung Anklage und Nebenklage beantragt hatten, sah das Gericht nicht. Der Vater hatte fast von Anfang an ein Geständnis abgelegt. Auch wenn man kein Verständnis für das Geschehen haben kann, muss man feststellen, dass die Eheleute Khan große Probleme mit dem Leben in zwei Welten hatten und große Angst vor der Exkommunikation hatten. 

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Darmstadt, 01.12.2015
 
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