Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Lareeb Khan / 25. September 2015

„Du bist an allem Schuld, deine Tochter läuft rum wie eine Hure.“

 

Am 25. September 2015 begann vor dem Landgericht Darmstadt (Hessen) der Prozess wegen des Mordes an Lareeb Khan. Bei den Angeklagten handelt es sich um die Eltern der 19-Jährigen. Die jüngste Tochter der Familie, Needa (14), tritt als Nebenklägerin auf.

 

Die Anklage

Beide Eltern sind angeklagt, am 28.01.2015 ihre Tochter getötet zu haben.

 

Sie hatten seit geraumer Zeit Streit mit der Tochter, weil sie von dem sexuellen Kontakt ihrer Tochter zu einem jungen Mann gehört hatten. Sie entschlossen sich daher, die Tochter zu töten, um zu verhindern, dass das Verhältnis bekannt wird.

 

Am 27.1.15 sorgte die Mutter dafür, dass die jüngere Tochter aushäusig übernachtete. Zwischen 2 und 4 Uhr in der Nacht begaben sich die Eltern in das Zimmer ihrer schlafenden Tochter, wo der Vater diese erwürgte, während die Mutter zusah. Als die Tochter dann tot war, wurde ihr Straßenkleidung angezogen, sie wurde in einen Rollstuhl gesetzt, mit dem sie weggefahren und dann eine Böschung hinuntergeworfen wurde.

 

Die Mutter der Getöteten

Der Verteidiger der Mutter erklärte, dass er für die Mutter eine schriftlich vorbereitete Erklärung abgeben werde; Nachfragen sollten am heutigen Tag nicht beantwortet werden, weil „der Zustand der Angeklagten heute nicht so gut“ sei.

 

Die Erklärung der Mutter:
Sie stammt aus einer Bauernfamilie in einem pakistanischen Dorf. Die ganze Familie seien Ahmadiyyas und der Glaube bestimme ihr Leben.

 

Ihren Mann lernte sie durch Vermittlung der Eltern kennen, erstmals sah sie ihn am Tag der Hochzeit 1992, die in Pakistan stattfand.

 

Nachdem die Mutter ihrem Mann nach Deutschland gefolgt war, wollte sie ursprünglich die Schule besuchen und Deutsch lernen. Dies sei ihr von ihrem Ehemann untersagt worden. Eine pakistanische Ehefrau habe zu Hause zu bleiben und auf ihren Mann zu warten. Es sei nicht nötig, dass sie die deutsche Sprache lerne. Der Ehemann habe die Meinung vertreten, eine Frau habe das zu wollen, was der Ehemann verlangt. Widerspruch sei nicht vorgesehen und werde nicht akzeptiert.

 

Probleme gab es, weil die Ehefrau nicht schwanger wurde, während alle anderen Geschwister des Vaters innerhalb kurzer Zeit Kinder, vor allem Söhne, bekamen. Erst nach 4 Jahren wurde die Tochter geboren. Die Eltern des Ehemannes drängten diesen, eine 2. Frau zu nehmen, damit diese einen Sohn gebäre.

 

Die Mutter fühlte sich in Deutschland völlig isoliert; sie hatte keine Verwandten in Deutschland (diese lebten in Pakistan und Großbritannien). Außerdem erkrankte sie nach der Geburt an Rheuma und bekam Depressionen.

 

Das Leben der Familie wurde von ihrem Glauben bestimmt; beide waren in der Gemeinde ehrenamtlich engagiert. Die Mutter hatte die Aufgabe, per Telefonkonferenz deutschlandweit aus dem Koran vorzulesen.

 

Im Mai erfuhren die Eltern, dass ihre Tochter sich mit einem Mann traf (Lareeb hatte diesem vom Handy der Mutter eine Nachricht gesandt und es nicht geschafft, diese rechtzeitig zu löschen).

 

Auf die Nachfrage der Mutter, wer das sei, antwortete Lareeb, dass dieser Junge auch Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde sei. Dessen Mutter hätte auch schon Kontakt zu den Eltern aufnehmen wollen.

 

Die Angeklagte sei schockiert gewesen. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass ihre Tochter einen Mann kennenlernt. Beide Töchter hätten sich ordentlich nach den Regeln ihres Kulturkreises gekleidet und immer allen Anordnungen der Eltern gehorcht. Bezüglich Jungen seien die Eltern sehr streng gewesen; Mädchen durften Jungen nur unter Aufsicht der Eltern treffen. Zur Anbahnung einer Beziehung müssen die Eltern des Jungen die Eltern des Mädchens aufsuchen. Undenkbar sei es, ohne die Eltern und/oder heimlich einen Jungen zu treffen. Derartige Treffen würden sowohl das Mädchen als auch dessen Eltern in Verruf bringen und es bestünde das Risiko, aus der Gemeinde ausgeschlossen zu werden. Für Eltern, die in der Gemeinde engagiert seien, sei so etwas unvorstellbar (hier fügte der Verteidiger eine eigene Anmerkung an: Er halte das für Gehirnwäsche, was dort geschehe).

 

Die Mutter machte ihrer Tochter jedenfalls schwere Vorwürfe, geriet außer sich und beleidigte ihre Tochter; sie regte sich so auf, dass sie ihr eine Ohrfeige gab.

 

Zu Hause erfragte sie dann Einzelheiten, die Lareeb dahin gehend beantwortete, dass sie die Eltern des Freundes als engagierte Gemeindemitglieder beschrieb, es sei eine gute Familie, der Junge selber studiere und es sei ja nichts passiert. Die Mutter schlug Lareeb erneut.

 

Als der Vater nach Hause kam, erzählte die Mutter ihm von der ganzen Sache und beide Eltern waren sich einig: Das musste ein Ende haben und vor allem durfte niemand etwas mitbekommen. Denn alle hatten immer gesagt, Lareeb sei eine richtige Vorzeigetochter.

 

Da die Eltern von Lareeb erfahren hatten, dass der Junge Lareeb manchmal von der Schule abholte, brachten sie sie dorthin und warteten dann auf den Jungen. Der Vater traf sich dann mit ihm in der Stadt und machte dem Freund heftige Vorwürfe, dass er sich heimlich mit seiner Tochter getroffen hätte. Der Freund wies darauf hin, dass doch nichts geschehen sei.

 

In den folgenden Tagen spitzte sich die Situation immer mehr zu; Lareeb wurde auf Schritt und Tritt kontrolliert. Lareeb zog sich daraufhin in sich selbst zurück; sie kommunizierte nicht mehr mit den Eltern, lebte nur noch in ihrem Zimmer und gab die von den Eltern geforderte Bestätigung, dass sie zu ihrem Freund keinen Kontakt mehr hatte, nicht ab. Dieser offene Widerstand und Ungehorsam war für die Eltern unvorstellbar.

 

Sie nahmen Lareeb den Laptop ab, um den Kontakt zur Außenwelt zu unterbinden; ein Handy hatte sie nicht.

 

Es gab dann eine Einladung der Gemeinde an Eltern und Tochter und man traf sich am 19.05.2014 mit dem von der Gemeinde für Familienstreitigkeiten vorgesehenen Streitschlichter. Dieser war vom Vorsitzenden der Ahmadiyya, Abdullah Wagishauser, beauftragt worden, sich um die Familie zu kümmern, denn er hatte von Lareeb eine Mail erhalten, in der sie um Hilfe bat.

 

Dieser Schlichter sprach zunächst mit allen gemeinsam und dann mit Lareeb alleine. Letztere behauptete, sie hätte die Mail gar nicht geschrieben und deren Inhalt stimme auch nicht. Im Beisein des Schlichters schrieb sie an Wagishauser eine weitere Mail, dass alle Behauptungen nicht stimmten.


Der Vater versuchte bei dem Gespräch, den Eindruck zu erwecken, dass der Junge Lareeb belästigte und verfolgte; er bestritt, Lareeb geschlagen zu haben.

 

Der Vermittler riet abschließend, sich mit Respekt zu behandeln, aber es hätte auch danach keine Veränderung in der Familie gegeben, denn Lareeb hätte weiterhin die Kommunikation mit den Eltern verweigert.

 

Es sei dann eine Einladung zu Wagishauser erfolgt zu einem gemeinsamen Treffen, in dem er die Alternativen darlegte: entweder ab sofort die heimlichen Kontakte zu unterbinden oder sofortige Heirat bzw. Verlobung.

 

Wagishauser riet dazu, sich eindeutig zu erklären; Lareeb und ihr Freund sollten sich binnen 2 Monaten eindeutig festlegen, ob sie heirateten, bis dahin sollen sie jeglichen Kontakt unterlassen. Daran hielten sich aber beide nicht.

 

Im Juni erklärte Lareeb, dass sie ihren Freund heiraten wolle. Der Schlichter hätte dann mit den Eltern des Freundes gesprochen; diese seien aber mit der Heirat nicht einverstanden gewesen.


Immer wieder gab es Treffen mit dem Schlichter, wann denn die Eltern des Freundes endlich kämen, um Lareebs Hand anzuhalten.

 

In der Familie selber herrschte „Kalter Krieg“, wobei wichtig war, dass nur nichts von den Konflikten nach außen dringen sollte. Schlussendlich wurde der oberste Kalif in Großbritannien um Hilfe ersucht.

 

Im Dezember 2014 kam es jedenfalls erneut zu einem Gespräch des Schlichters mit Lareeb, ihrem Freund und Lareebs Eltern. Der Vater des Freundes erklärte jedenfalls, dass er Anfang Januar zu den Eltern gehen werde – dies tat er dann doch nicht. Angeblich zweifle er an der Aufrichtigkeit von Lareeb. Wenn diese schon die ganze Zeit ihre Eltern anlüge und ihnen nicht gehorche, müsse man davon ausgehen, dass sie auch ihrem Mann nicht gehorchen werde und ihm nicht treu sei.

 

Mitte Januar 2015 erfuhr die Familie, dass Lareeb zu der normalen Arbeitszeit in der Stadt gesehen worden war. Sie hatte sich krankschreiben lassen. Sie trüge in der Öffentlichkeit kein Kopftuch mehr, trug auch keine angemessene Kleidung mehr. Nun war der Ungehorsam offiziell bekannt geworden.

 

Der Vater hätte Lareebs Mutter ständig Vorwürfe gemacht, dass sie die Tochter nicht ordentlich erzogen hätte, sie nicht im Griff hätte und keine gute Mutter sei.

 

Nach wie vor wurde aber nach außen die heile Welt gespielt, während der Vater inzwischen im Wohnzimmer schlief, Lareebs Schwester dagegen im Bett der Mutter.

 

Der Vater verstärkte den Druck auf seine Frau. Beide suchten auch immer wieder den Kontakt zur Gemeinde, weil sie nicht mehr weiter wüssten, denn Lareeb zeigte sich jetzt öffentlich mit diesem Jungen. 

 

Auf einem Fest der Gemeinde gab es mehrere Preisverleihungen, bei denen Lareeb und ihre Schwester jeweils Pokale hätten entgegennehmen sollen, aber Lareeb erschien nicht. Damit war öffentlich geworden, dass Lareeb ungehorsam war, wenn niemand in der Familie wusste, wo sie sich aufhielt.

 

Am 26.01.2015 kam ein Schreiben an Lareeb, das die Mutter öffnete:  
Ein Anhörungsbogen der Polizei für Lareeb: Sie sollte sich zu dem Vorwurf äußern, dass sie u.a. in einem Geschäft Kondome entwendet hätte. Mit diesem Vorwurf war nun wiederum klar, dass zwischen Lareeb und ihrem Freund ein intimes Verhältnis bestand.

 

Die Mutter hielt diesen Brief zunächst zurück, weil sie Angst hatte, wie der Vater reagieren würde. Gleichzeitig fürchtete sie seine Reaktion, wenn sie den Brief nicht zeigte. 

 

Am 27.01.2015 gab sie ihm dann diesen Brief, wobei der Vater sie dann wieder angeschrien habe, dies sei alles ihre Schuld, „Du bist an allem Schuld, Deine Tochter läuft rum wie eine Hure.“

 

Anlässlich einer Fahrt mit dem Aufzug manipuliert der Vater offenbar an der Videoüberwachung des Aufzugs – dies hätte die Mutter zu diesem Zeitpunkt aber nicht bemerkt (hier sei der Hinweis erlaubt, dass der Vater ein eher kleingewachsener Mann ist, der nicht so ohne Weiteres an eine vermutlich eher oben installierte Kamera heranreichen kann, ohne dass er sich erheblich anstrengen muss). Sie lädt ihre Schwägerin und deren Kinder zum Abendessen ein. Gegen 19:30 Uhr kommt Lareeb nach Hause; die Mutter zeigt ihr den Anhörungsbogen, aber Lareeb zeigte keine Reaktion.

 

Die jüngere Tochter geht dann mit der Cousine zur Tante, um dort zu übernachten. Der Vater kommt nach Hause, setzt sich vor den Fernseher, die Mutter geht zu Bett, nachdem sie eine Schlaftablette genommen hatte.

 

Als sie wach wird, hört sie die Stimmen ihres Mannes und Lareebs; sie sieht Lareeb vor dem Kleiderschrank stehen. Vater und Tochter streiten sich, weil Lareeb ihrem Vater nicht den nötigen Respekt entgegenbringe.  Lareeb habe dann den Vater geschlagen, woraufhin dieser das Zimmer verließ. Die Mutter macht Lareeb Vorwürfe, weil es doch unmöglich sei, dass eine Tochter die Hand gegen den Vater erhebt. Ihr Mann habe ihr gegenüber eine drohende Haltung eingenommen und ihr befohlen, ins Bett zu gehen, was sie dann auch tat.

 

Als sie wieder Stimmen hört, geht sie ins Kinderzimmer und sieht ihren Mann auf Lareeb sitzen, die Hände an ihrem Hals, und Lareeb bewegt sich nicht mehr. Sie will den Vater von seinem Tun abhalten, aber er sagt nur „geh weg“. Sie hat Angst um ihre Tochter, aber auch um sich, hat Angst, sich zu widersetzen. Ihr sei bewusst gewesen, dass sie nicht die Kraft hatte, ihn von seinem Tun abzuhalten, und beginnt laut zu weinen. 

 

Ihr Mann fordert sie schließlich auf, ihr zu helfen und den Rollstuhl, den zuvor die Großmutter genutzt hatte, zu bringen. Er zwingt sie, Lareeb andere Kleidung anzuziehen; sie hat Angst, dass er ihr auch etwas antun werde.  Der Vater setzt Lareeb dann in den Rollstuhl, schiebt diesen zum Aufzug und in den Aufzug, fährt in die Tiefgarage zu seinem Auto, in das er Lareebs Leiche auf den Rücksitz setzt, den Rollstuhl im Kofferraum verstaut und dann auf einen Parkplatz fährt. Er zerrt Lareeb dort aus dem Wagen; was er dann macht, konnte die Mutter nicht sehen. Beide fahren dann zurück nach Hause, und er weist an, dass man so tun solle, als sei nichts geschehen; sollte jemand nach Lareeb fragen, sollte sie sagen, die sei zur Arbeit gegangen.

 

Damit endete die Einlassung der Mutter, die weitere Fragen zunächst nicht zuließ.

 

Der Vater der Getöteten

Der Vater ließ nur die kurze Erklärung abgeben, dass er seine Tochter getötet habe und in einem Waldstück abgelegt hatte. Er liebe seine beiden Töchter und seine Ehefrau, in ihm sei Schmerz und Leid und er bedauere, „dass das geschehen ist“. Im letzten Augenblick des Tötungsaktes sei er „wie weg“ gewesen.

 

Zu der Einlassung seiner Frau wollte er in dem Augenblick noch keine Stellungnahme abgeben; zu einem späteren Zeitpunkt wolle er sich vielleicht ausführlicher äußern.

 

Das Gericht tritt sodann in die Beweisaufnahme ein. Das Gericht verliest zunächst Aussagen von Mutter und Vater bei der Vernehmung vom 29.01.2015: der Vater, der erklärt hatte, er sei der allein Schuldige, seine Frau hätte nur alles getan, was er von ihr verlangt hätte. Die Frau hätte eigentlich der Tochter helfen wollen, hätte aber Angst gehabt, dass er sie auch umbringen werde. Im Übrigen hätte sie nur geholfen, den Leichnam wegzubringen.

 

Die Mutter, die erklärt hatte, sie sei nicht direkt an der Tat beteiligt gewesen, der Vater hätte seine Tochter auch nicht umbringen wollen, sie sei nur so aggressiv gegen den Vater gewesen und hätte ihn beleidigt und geschlagen. Sie hätte die ganze Zeit Angst gehabt, dass die Ehre verletzt wird, wenn die Sache mit den Kondomen an die Öffentlichkeit dringt.

 

Als Erstes werden sodann die Zeugen gehört, die die Leiche gefunden hatten sowie der Bruder der Mutter und seine Ehefrau, die jedoch nach Belehrung beide die Aussage verweigerten, allerdings genehmigten, dass ihre bei der Polizei gemachten Angaben über Aussagen der Polizisten in das Verfahren eingeführt werden.

 

Die Schwester

Es wird dann die jüngere Tochter der Eheleute Khan in den Gerichtssaal geführt. Bei ihrem Erscheinen bricht die Mutter in Tränen aus. Die 14-Jährige erklärt sich zur Aussage bereit. Sie bestätigt, dass sie ihren Vater einmal in der Untersuchungshaft besucht hatte, ihre Mutter allerdings nie. Sie wolle nun aber beide Eltern nicht mehr sehen.

 

Auf Befragung erzählt sie, dass die Eltern sehr streng gewesen seien, „man musste auf jede Kleinigkeit achten“. So hätte sie auch nicht rausgedurft, weil die Eltern befürchteten, sie werde dann so wie andere Kinder, nämlich respektlos gegenüber den Eltern. Ihre Freundinnen und Freunde durfte sie in ihrer Freizeit nie sehen, nur in der Schule. Von der Mutter sei sie oft geschlagen worden, auch mit dem Stock, und angeschrien worden. 

 

Auf den Vorhalt, dies habe sie bei der Polizei aber anders gesagt, bricht das Mädchen in Tränen aus: Da hätte sie die Mutter ja auch noch lieb gehabt.

 

Sie hätte ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwester gehabt. Auch Lareeb sei geschlagen worden. Ein paar Mal hätte sie das selber gesehen, aber die Schwestern hätten sich auch unterhalten, dass andere Kinder nicht geschlagen würden.

 

Befragt nach einer Verletzung, die Lareeb an ihrer Hand hatte, berichtete die Schwester, dass Lareeb ihr gesagt hatte, dies sei beim Hantieren mit Säure in der Praxis, in der sie arbeitete, geschehen (Tatsächlich soll aber wohl die Mutter Lareebs Hand auf eine heiße Herdplatte gepresst haben, wie spätere Zeugen berichten).

 

Das Thema „Liebe“ und „Jungen“ sein in der Familie tabu gewesen. Auch wenn Mitschülerinnen über Jungen sprachen, hätte sie eher nicht mitgesprochen. Von ihrem Freund hatte Lareeb ihr nichts erzählt; sie hätte ihn erst anlässlich der Beerdigung mal kurz gesprochen auf Vermittlung eines Polizisten. 

 

Lareeb hätte ursprünglich mal ein Handy gehabt, das ihr aber von der Mutter abgenommen worden sei, weil diese dachte, dass Lareeb dann Kontakt zu den falschen Leuten hätte, z. B. zu Mädchen, die über Jungen sprechen. Sie hätte dann allerdings von jemandem ein Handy geschenkt bekommen.

 

In der Tatnacht hätte sie eigentlich gewünscht, dass ihre Cousine bei ihr übernachten würde, aber die Mutter hätte immer wieder gesagt, die sollten lieber zur Tante gehen, weil Lareeb ihre Ruhe brauche.

 

Als sie gehört hätte, dass Lareeb tot sei, hatte sie zunächst gedacht, die hätte Selbstmord begangen, denn ihre Schwester hatte früher schon mal gesagt, dass sie Selbstmord begehen wolle. 

 

Befragt nach der Unterdrückung der Mutter durch den Vater sagte das junge Mädchen: „Nein, meine Mutter konnte machen, was sie wollte." Sie sei ins Fitnessstudio gegangen und auch allein spazieren. Sie hätte gehen können, wann sie wollte und musste nicht um Erlaubnis fragen. Zu Hause sei eher die Mutter der „Bestimmer“ gewesen.

 

Angesprochen auf den Rollstuhl erklärte sie, dieser hätte ursprünglich der Mutter gehört, dann bei deren Besuch von der Großmutter genutzt und ca. 4 Tage vor der Tat von der Mutter wieder geholt worden. Auf die Frage, warum er nun wieder da stünde, hätte die Mutter gesagt, „ich brauche den“. 

 

Insgesamt sei die Mutter viel strenger als der Vater gewesen. 

 

Es wurde dann aus der Erklärung der Mutter vorgehalten, dass diese von dem klassischen Rollenverständnis erzählt hatte. Nämlich die Frau sei „Dienerin des Mannes“. Dies konnte das Mädchen für die eigene Familie nicht bestätigen, es sei eher anders herum gewesen.

 

Der medizinische Sachverständige fragte noch danach, ob der Tochter irgendwelche gesundheitlichen Probleme bei den Eltern aufgefallen waren: Beim Vater fiel ihr nur eine Nasen OP ein, bei der Mutter das Rheuma und viele Tabletten, die sie immer nahm. Depressive Verstimmungen seien aber nicht aufgetreten.

 

Befragt nach der Kommunikation in den letzten Wochen vor Lareebs Tod erklärte die Schwester, Lareeb hätte mit den Eltern kaum noch gesprochen und diese auch nicht mit ihr; nur der Papa hätte ganz selten mal gefragt, wie es ihr denn ginge, aber da hätte Lareeb immer nur „gut“ gesagt und sonst nichts. Zuletzt hätte Lareeb auch nicht mehr mit der Schwester gesprochen.  Sie hätte dann bei der Mutter im Schlafzimmer geschlafen, Lareeb weiter im Kinderzimmer. Weil der Vater meist erst später nach Hause kam, hätte er dann im Wohnzimmer auf dem Sofa geschlafen. 

 

Auf Befragen bestätigt sie, dass Widerspruch gegen die Eltern unmöglich war; ein Elternteil zu schlagen ginge gar nicht.

 

Für den normalen Tagesablauf zu Hause sei die Mutter zuständig gewesen, also für Entscheidungen über Kleidung, Schule und dann natürlich die Haushaltsführung.

 

Auf Befragen des Verteidigers des Vaters, warum das Thema „Liebe und Jungen“ tabu gewesen sei, ob wegen der Eltern oder der Gemeinde, sagte das Mädchen „Beides“. Das Tabu sei von ihr und ihrer Schwester akzeptiert worden. Innerhalb der Gemeinde sei dieses Tabu auch von niemandem thematisiert worden.

 

Auf weiteres Befragen des Verteidigers erklärte die Zeugin, sie hätte nach der Tat noch ein einziges Mal mit dem Vorsitzenden der Ahmadiyya, Herrn Wagishauser, gesprochen; sie hätte das Gespräch gesucht. Dieses Gespräch hätte vielleicht 10 Minuten gedauert; er hätte nur gefragt, was sie denn machen werden, und sie hätte gesagt, dass sie wohl zu ihren Verwandten nach London gehen werde. Dies habe er mit „gut“ quittiert, mehr sei nicht gesprochen worden.

 

Tatsächlich wolle sie aber inzwischen mit niemandem aus ihrer Familie mehr etwas zu tun habe, auch nicht mit den in London lebenden Verwandten; sie hätte zu diesen kein Vertrauen.

 

Damit wurde die Zeugin, die übrigens auch als Nebenklägerin auftritt, entlassen.

 

Es sei mir an diese Stelle ein persönlicher Hinweis gestattet: Ich habe nun bereits mehrere Ehrenmordprozesse beobachtet, aber noch nie hat mich ein Auftritt so berührt wie der dieses jungen Mädchens. Das sich dem Vater und der Mutter gegenüber sieht, die ihre Schwester getötet haben, und das die Kraft hat, sich trotzdem klar und deutlich zu artikulieren und das offenbar Menschen gefunden hat, die es so unterstützen, dass man die Hoffnung haben kann, das Trauma kann überwunden werden und dieser Mensch wird ein eigenständiges Leben zu führen lernen und führen können. Meine Gedanken sind jedenfalls bei ihr.

 

Die Nachbarinnen

Nun wurde eine Zeugin gehört, die jahrelang unmittelbar Tür an Tür mit der Familie Khan lebte, und sich als „Freundin“ der gleichaltrigen Lareeb bezeichnete.

 

Sie erzählte, Lareeb und sie hätten sich alles erzählt, viel gemeinsam unternommen. Das Verhältnis der Eltern Khan untereinander sei gut gewesen, die hätten sich nie gestritten. Die Eltern seien auch immer sehr nett zu Lareeb gewesen, dies sei – jedenfalls nach außen hin- auch bis zum Schluss so gewesen.

 

Allerdings sei Lareebs Mutter oft gereizt gewesen, aggressiv und schnell erregt; zu der Zeugin sei sie jedoch immer nett gewesen. Zu Hause hätte die Mutter das Sagen gehabt; sie hätte gemacht, was sie wollte. 

 

Die Mutter sei jeden Abend spazieren gegangen; eine Gehhilfe oder einen Stock hätte sie nicht benötigt.

 

Der Vater sei immer sehr nett gewesen, für die Zeugin fast wie ein 2. Vater (der eigene Vater lebt nicht bei der Familie). Er habe sich sehr um seine Familie gesorgt, sei einkaufen gegangen. Es sei unvorstellbar, dass er seine Frau unterdrückt haben soll. Das sei eher umgekehrt gewesen.

 

Die Khans seien eine sehr religiös lebende Familie. Die Verwandten der Khans hätten von den innerfamiliären Konflikten nichts gewusst.

 

Lareeb hätte ihr von ihrem Freund erzählt: dass dieser sie von der Schule abhole und dass sie sehr glücklich sei.

4 Tage vor der Tat hätte Lareeb ihr erzählt, dass die Eltern sie, Lareeb, in Pakistan verheiraten wollten, aber: „Ich fliege nicht, und wenn ich darüber sterbe."

 

Lareeb hätte nie erzählt, dass sie geschlagen wurde.

 

Befragt zu dem Verhältnis von Lareeb zu ihrem Freund beginnt die Zeugin damit, dass es im Islam ja so sei, dass man vor der Ehe keinen Geschlechtsverkehr haben darf.  Deshalb könne sie sich auch gut vorstellen, dass die Mutter „durchgedreht wäre, wenn sie das erfahren hätte.“

 

Wenn sie, die Zeugin, vorehelichen Sex hätte, dann würde sie gezwungen, den entsprechenden Mann zu heiraten. 

Die Zeugin gab auch eine Erklärung dafür ab, warum Sex vor der Ehe für sie nicht in Frage komme. Das sei ihr nämlich so begründet worden: „Wer will schon ein Blatt Toilettenpapier zweimal benutzen?“ 

 

Persönliche Anmerkung: Ich gestehe, ich war fassungslos, dass eine junge 19-jährige Frau, zwar mit Kopftuch, aber schön geschminkt, sich mit Toilettenpapier vergleicht bzw. vergleichen lässt. 

 

Bei der nächsten Zeugin handelt es sich ebenfalls um eine Nachbarin, 25 Jahre alt, Hausfrau, die angab, ein freundschaftliches Verhältnis zur Getöteten gehabt zu haben. Diese Zeugin ist ebenfalls Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde, konnte aber wenig Erhellendes zum Funktionieren der Gemeinde beitragen, da es dort offenbar ein getrenntes Männer- und Frauenleben gibt (so stellte es die Zeugin jedenfalls dar. Denn Fragen zur Funktion des angeklagten Vaters konnte sie nicht beantworten mit der Begründung, das sei eben die Männergemeinde).

 

Lareeb sei schon mal bei ihr, der Zeugin, gewesen, um dort ins Internet zu gehen, aber nur wegen Schule und so; es sei nicht um Kontakte gegangen.

 

Lareeb hätte ihr davon erzählt, dass sie einen Mann kennengelernt hatte. Dabei sei ihr Lareeb immer wie die perfekte Tochter vorgekommen. Sie hätte der Zeugin auch Fotos von ihrem Freund gezeigt.

 

Die Zeugin wurde dann gefragt, warum sie Lareeb einmal angeboten hatte, für sie zu lügen, dass Lareeb nämlich die ganze Zeit bei ihr gewesen sei. „Habe ich nicht gesagt“.

 

Auch beim nächsten Vorhalt aus der Akte, dass sie gesagt habe, dass es Ärger gebe, wenn eine Frau vorehelichen Sex hat und das rauskommt, sagte die Zeugin „habe ich nicht gesagt“.

 

Das Gericht fragte dann, ob die Zeugin die gesamte Aussage bei der Polizei bestreiten wolle – was diese dann nahezu bejahte.  Grund mag gewesen sein, dass sich im Zuschauerraum ein junger Mann aufhielt, der vorher mit dieser Zeugin im Gerichtsflur zusammengesessen hatte und nach Ende ihrer Zeugenaussage den Zuschauerraum zusammen mit ihr wieder verließ (Persönliche Anmerkung: Er wirkte ein bisschen wie ein „Aufpasser“).

 

Die Zeugin berichtete dann noch, dass Lareeb ihr erzählt hatte, die Eltern ihres Freundes wollten ihre Zustimmung zur Heirat noch nicht erteilen, weil sie erst die beiden älteren Geschwister verheiratet sehen wollten.

 

Der Arbeitgeber

Anschließend wurde der Zahnarzt gehört, bei dem Lareeb ihre Ausbildung begonnen hatte: Lareeb hatte im Dezember 2014 dort mit der Arbeit angefangen.  Sie sei eine nette, ruhige junge Frau gewesen, die ein gutes Verhältnis zu ihren Kolleginnen hatte.

 

Weder beim Vorstellungsgespräch noch sonst irgendwann in der Praxis hätte Lareeb Kopftuch getragen. Dem Zeugen war auch nicht bekannt, dass Lareeb üblicherweise Kopftuch trug und sehr religiös war. Beim Vorstellungsgespräch sei der Verlobte der Wortführer gewesen. 

 

Anfang Januar hatte Lareeb dem Zeugen erzählt, dass sie in ca. 3 Monaten heiraten wolle. Der Zeuge hatte dann noch gesagt, ob sie sich das gut überlegt hätte, sie sei doch noch so jung und für ihn habe sie auch noch keineswegs erwachsen gewirkt. Er hatte dann den Eindruck, dass für Lareeb die Heirat auch eine Möglichkeit war, von zu Hause wegzukommen.

 

Der Zeuge hatte bei Lareeb am Arm ein Hämatom gesehen und Lareeb gefragt, was da passiert sei. Sie hätte aber abgeblockt; sie wisse auch nicht, wie das geschehen sei, aber für den medizinisch gebildeten Zeugen war deutlich, dass an dieser Stelle ein Hämatom nur entstehen konnte, wenn jemand hart angefasst oder geschlagen wird. 

 

Am 27.01.2015 hätte Lareeb einen gelösten, fröhlichen Eindruck gemacht. 

 

Die Kolleginnen

Es wurden anschließend mehrere Zeuginnen gehört, die entweder Arbeitskolleginnen von Lareeb in der Zahnarztpraxis waren oder Mitschülerinnen in der Berufsschule.

 

Alle schilderten Lareeb als fröhlichen, positiven Menschen. Alle wussten auch von der Beziehung zu ihrem Freund, der Lareeb oft in Praxis oder Schule besuchte oder abholte.  Das Paar sei sehr verliebt gewesen, äußerst liebevoll miteinander umgegangen und Lareeb hätte gesagt, sie hätten sich noch nie gestritten.  Es sei beiden mit der Beziehung sehr ernst gewesen, was schon daran erkennbar sei, dass sie den jeweils anderen nicht als „mein Freund/meine Freundin“ bezeichneten, sondern als „mein Mann/meine Frau“. 

 

Lareeb hätte gern von zu Hause ausziehen wollen; der Trubel mit den ständigen Besuchen von Onkel und Tante sei ihr zu viel gewesen. 

 

Am 27.01.2015 hätte Lareeb geäußert, dass die Eltern sie wohl nach Pakistan verschleppen wollten. Die Mitschülerin hätte ihr dann gesagt, sie sei immer für sie da und werde ihr immer helfen, auch der Freund sei ja immer für sie da. 

 

Die Freundinnen wussten auch, dass Lareeb und ihr Freund wohl bereits intim gewesen waren; eine der Zeuginnen sagte, das sei ja jedem Selbst überlassen, während eine andere Zeugin, nach eigenen Angaben selber Muslima, noch einmal erklärte, dass damit Konflikte vorprogrammiert seien: „Bei Moslems ist das so, dass man keine Beziehung haben darf bis zur Verlobung. Wenn die Eltern das rausfinden (also einen Verstoß gegen diese Regel), dann gibt es Stress.“

 

Den Grund, warum die Eltern gegen die Beziehung waren, konnte keine der Zeuginnen benennen.

 

Als eine der Zeuginnen sagte, dass Lareeb ihre Eltern sehr geliebt und nie etwas Schlechtes über sie gesagt hatte, begann der angeklagte Vater zu weinen.

 

Übereinstimmend schilderten die Zeuginnen dann, wie sie den 28.01.2015 erlebt hatten: Als Lareeb nicht in der Schule erschien und sich auch nicht via What’sApp bei den Freundinnen gemeldet hatte (was sie sonst wohl täglich tat), versuchten sie, Lareeb zunächst telefonisch zu erreichen, was ihnen nicht gelang. Schließlich riefen sie bei Lareeb zu Hause an, wo denn Lareeb bleibe. Die Mutter hätte sehr komisch reagiert, nur gesagt „Die ist in der Schule“ und dann aufgelegt. Alle hatten in dem Augenblick den Eindruck, dass da etwas nicht stimmte. 

 

Der Freund

Zuletzt wurde Lareebs Freund als Zeuge gehört, der unter Polizeischutz zum Gericht gebracht worden war und nicht im Flur wartete, sondern in der Vorführstelle, weil man offenbar eine Gefährdungslage für ihn sieht.

 

Er berichtete, dass er und Lareeb sich 1 Jahr und 2 Monate vor Lareebs Tod kennengelernt hatten. Die Beziehung sei im Mai 2014 rausgekommen, als Lareeb das Handy der Mutter benutzt hatte. Lareeb hatte ihm geschrieben, dass die Mutter sie geschlagen und die Eltern ihr alles weggenommen hätten.

 

Lareeb sei von ihren Eltern dann zur Schule gebracht worden, wo man offenbar auf ihn, den Freund, wartete. Als sie ihn sahen, haben sie ihn angerufen, beleidigt und wollten sich mit ihm treffen. Dem hatte der Zeuge zugestimmt, aber nur in der Öffentlichkeit.


Der Vater sei dann gleich auf ihn los, noch geschubst von der Mutter: „Kennst Du mich? Lass meine Tochter in Ruhe“.

 

Der Zeuge hatte dann gesagt, der Vater könne ja zu seinen Eltern kommen. Nachdem es wohl zu Drohungen gekommen war („wir bringen Deinen Sohn um“), „ging die Sache dann an die Gemeinde“. Wie der Zeuge bekundete, werden derartige Streitigkeiten, bevor die Gerichte eingeschaltet werden, in der Gemeinde geregelt.

 

Auch Lareeb hatte ja schon an Wagishauser geschrieben, dass die Eltern sie schlügen. Nun sollte die Gemeinde auch auf Bitten der Angeklagten vermitteln.

 

Anfang Oktober kam dann ein Anruf von der Gemeinde, dass Lareebs Eltern nun einverstanden seien, jetzt müsse dann aber auch schnell geheiratet werden. Nach Angaben des Zeugen spielten die Eltern aber ein doppeltes Spiel: Gegenüber der Gemeinde erklärten sie, dass sie einverstanden seien, Lareeb gegenüber verweigerten sie jedoch ihre Zustimmung.  Warum das so war, konnte sich der Zeuge nicht erklären.

 

Lareeb hätte ihm berichtet, dass die Mutter immer wieder zu Lareeb gesagt hätte: „Du bist eine Schande für unsere Familie, du sollst sterben." Der Vater sei manchmal nett zu ihr gewesen, dann aber von der Mutter wieder aufgehetzt worden, die den Vater aufforderte, Lareeb zu beobachten, wenn diese das Haus verließ. Bereits im Oktober soll der Vater laut Lareeb sie schon einmal gewürgt haben und die Mutter stand dabei.

 

Im Dezember wurde bei der Gemeinde ein Gespräch geführt, wie das vor Eheschließungen üblich sei. Der Kalif aus England hatte der Hochzeit bereits zugestimmt. Am 29.01.2015 sollte dann der Termin bei Wagishauser sein, damit die Hochzeitsmodalitäten festgelegt werden konnten. Allerdings sei der Imam der Gemeinde der beste Freund des angeklagten Vaters gewesen und hätte dem Zeugen gesagt, er werde dafür sorgen, dass die Hochzeit nicht stattfinden werde.

 

Seit Mitte Januar hatte Lareeb Angst vor ihren Eltern und meinte, sie werde sterben. Sie hatte ihm im Dezember ihre verbrannte Hand gezeigt und gesagt, dass die Mutter, die gesehen hatte, wie Lareeb auf dem Smartphone tippte, diese Hand auf den Herd gedrückt hatte und dabei gesagt hatte, „jetzt kannst Du ja sehen, ob Du noch schreiben kannst“. Lareeb sei auch mit dem Stock geschlagen worden, wenn sie rausgehen wollte, meist von der Mutter, aber auch vom Vater. 

 

Am 27.01.2015 hatte Lareeb ihrem Freund noch eine Nachricht geschrieben „ich kann nicht schlafen“. 

 

Der Zeuge berichtet dann sehr erregt, dass der Angeklagte ihm gegenüber einmal gesagt habe, er hätte in Pakistan bereits jemanden umgebracht, das sei für ihn kein Problem. In dem Augenblick, wo Lareeb zu ihrem Freund „Ja“ sagen würde, „bringe ich sie um“

 

Der Richter stellte dem Zeugen dann die Frage, die vermutlich alle Zuschauer umtrieb: warum nur wollten Lareebs Eltern ihn nicht, obwohl er doch eigentlich vollständig dem „Anforderungsprofil“, das an einen ihn genehmen Ehemann zu stellen ist, entspricht: er ist Mitglied der gleichen Glaubensgemeinschaft, er hat den gleichen kulturellen Hintergrund (Pakistan), ist Student – was kann man gegen ihn haben?

 

Der Zeuge kann es sich nicht erklären.

 

Er bestätigt, dass er um sein Leben fürchtet und berichtet dann über einen sehr merkwürdigen Sachverhalt, der die Ahmadiyya-Gemeinde betrifft: Gegen ihn und seine Eltern hatte die Gemeinde Sanktionen ausgesprochen: Sie dürften an Versammlungen der Gemeinde nicht mehr teilnehmen und keine Mitgliedsbeiträge mehr zahlen (es scheint sich um eine Art Ex-Kommunikation jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum zu handeln).  Grund sei wohl, dass seine Eltern sich nicht frühzeitig Anfang Januar mit den Eltern Khan getroffen hätten.

 

Dabei sei jedenfalls mit der Festsetzung des Termins bei Wagishauser klar gewesen, dass die Eltern der Forderung des Kalifen, dass das junge Paar heiraten solle, nicht mehr widersprechen konnten.

 

Der Zeuge erklärt dann noch, dass Lareeb sehr gläubig gewesen sei. Am Arbeitsplatz habe sie kein Kopftuch getragen, um keine Schwierigkeiten zu bekommen, aber „zeigen Sie mir auch nur ein Foto, auf dem Lareeb einen Mini-Rock trägt, das hätte sie nie getan“. 

 

Kurz wurde dann noch der Vater des Freundes befragt, ob er nun seine Zustimmung zur Hochzeit erteilt hätte. Er erklärte, dass mit den Entscheidungen des Kalifen und von Wagishauser die Sache auch für ihn entschieden war.  „Wenn das Oberhaupt es so sagt, können wir nicht Nein sagen“. Zwar hätte er lieber mehr Zeit gehabt, um die Hochzeiten der älteren Kinder zu finanzieren, denn sein Geschäftskonto (er ist Taxiunternehmer) sei erheblich überzogen, aber der Kalif hätte eben entschieden.

 

Der Prozess wird am 02.10.2015 fortgesetzt.

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Darmstadt, 25.09.2015
 

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