Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Jolin S. / 27. Januar 2014

Nachdem der Befangenheitsantrag der Verteidiger von einer anderen Kammer des Landesgerichts zurückgewiesen wurde, konnte die Verhandlung am 27. Januar 2014 mit der Vernehmung eines weiteren Zeugen fortgesetzt werden. Bei diesem Zeugen handelte es sich um einen weiteren Mitgefangenen Isas, der inzwischen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Der Zeuge sollte zu der Frage gehört werden, ob der „Kronzeuge“ Dariush sich seine gesamte Aussage aus den Fingern gesogen hatte und seine Angaben jedenfalls nicht auf eine Erzählung von Isa zurückzuführen war.

Um es kurz zu machen: wie auch bei den früheren Mitgefangenen blieb die Zeugenaussage absolut unergiebig. Das begann schon damit, dass der Zeuge zwar sagen konnte, dass es im Gefängnis üblich war, dass sich die Häftlinge ihre Haftbefehle und auch Korrespondenz mit ihren Anwälten untereinander zeigten – dies sei auch bei Isa und Dariush der Fall gewesen. Woher der Zeuge das wisse? Das habe er gesehen. Wann er das denn gesehen habe? Das musste beim Basketballspiel gewesen sein. Er konnte sich jedenfalls erinnern, dass es an dem Tag warm, jedenfalls angenehm gewesen sei und er Basketball gespielt habe. Als ihn die Nebenklagevertreterin darauf hinwies, dass im März 2013 (und danach wurde Dariush verlegt) Schnee gelegen habe, meinte der Zeuge nur schnippisch, auch bei Schnee könne es angenehm sein (gleichzeitig bat er aber darum, dass man ihm in den recht warmen Gerichtssaal seine Daunenjacke bringe, weil ihm kalt war).

Auch ihm zeigte der Vorsitzende mehrere Blätter in den unterschiedlichsten Rottönen und bat darum, den Rotton zu benennen, den Isas Haftbefehl hatte – auch hier musste der Zeuge passen.

Letztlich brachte der Zeuge mit seinen Äußerungen das Publikum und auch die Staatsanwältin zum Staunen: so berichtete er, dass ein Mithäftling sich ein Messer scharf gemacht hatte, weil er sich damit einen anderen Gefangenen vom Leib halten wollte.

Anschließend wurden der Haftbefehl und ablehnende Beschlüsse zu den diversen Beweisanträgen der Verteidigung verlesen:  alle Beweisanträge wurden abgelehnt, da von diesen Zeugen keine über die bisherigen Bekundungen hinausgehenden Tatsachenerklärungen zu erwarten seien.

Interessant war dabei die Begründung für die Ablehnung der Vernehmung des Professors, der von der Verteidigung benannt worden war um zu bekunden, dass Isa sich am Tag nach der Tat „völlig normal“ verhalten habe: hier stellte die Kammer sehr richtig fest, dass es keinen Erfahrungswert dazu gibt, wie sich ein Täter am Tag nach seiner Tat verhält.

Der Antrag auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich des Zeugen Dariush wurde abgelehnt, weil es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Zeuge unter einer für die Kammer nicht erkennbaren psychischen Störung leidet und die Richter insofern aus eigener Sachkunde über die Glaubwürdigkeit des Zeugen entscheiden können.

Den Verteidigern fielen dann allerdings noch zwei weitere Beweisanträge ein:

Es sollte ein Sachverständiger bestätigen, dass es nicht möglich sei, in der Zeit zwischen Tatzeit und Auftauchen  bei Hugendubel die Strecke vom Tatort bis zum Filiale zurückzulegen (berechtigte Frage der Staatsanwältin: „Was für ein Sachverständiger soll das denn sein?“).

Und es sollten sämtliche Originalbänder der Aufzeichnungen der Filiale Hugendubel in der Zeit zwischen 18 Uhr und 18:40 gezeigt werden. Hier wies das Gericht darauf hin, dass den Verteidigern schon früher angeboten worden war, die gesamten Bänder auf einem Computer in der Geschäftsstelle anzusehen. Die übrigen Zeiträume hätte man ja bereits gesehen.

Letztlich fragte die Nebenklagevertreterin, ob der frühere Freund von Jolin, Ramin, der die ganze Zeit wegen angeblicher weiterer Fragen der Verteidiger der Verhandlung nicht folgen durfte, nun endlich kommen könne. Dies lehnten die Verteidiger ab mit der Begründung, dass sie noch Fragen hätten. Das Gericht stellte dazu fest, dass die Vernehmung des Zeugen seinerzeit „im allseitigen Einvernehmen“ beendet worden war und die Verteidigung dann schon konkrete Fragen nennen müsste, damit eine weitere Befragung durchgeführt werden könne. Dies will sich die Verteidigung überlegen.

Für Jolins Familie wäre die Anwesenheit von Ramin eine Freude und Erleichterung: Er teilt mit ihnen die Trauer um die Tote und unterstützt die Familie – wohingegen von Isas Familie nicht einer sich irgendwann einmal mit einem persönlichen Wort an die Eltern gewandt hat. Isa schon gar nicht, der weder sprachlich noch mimisch erkennen lässt, dass ihn Jolins Tod bedrückt oder nur irgendwie überhaupt angeht.

Das Verfahren wird am 10. Februar 2014 fortgesetzt. Es soll dann noch eine Zeugenvernehmung durchgeführt werden. Ferner soll die Psychiaterin ihr Gutachten erstatten und die Prozessbeteiligten wurden gebeten sich auf ihre Plädoyers vorzubereiten. Es spricht viel dafür, dass das Verfahren bald sein Ende findet.

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 27.01.2014
 

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