Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Jolin S. / 11. November 2013

Der angeklagte Isa, der wegen Mordes in Wiesbaden vor Gericht steht, war am 4. Prozesstag sichtlich gut gelaunt. Der 23-jährige Afghane tötete Jolin S. und ihr ungeborenes Baby, weil er keine Schande über seine Familie bringen wollte.

 

Zu Beginn des Prozesses präsentierte die zuständige Gerichtsmedizinerin ihr Gutachten. Laut ihren Ausführungen starb Jolin an 3 Stichen, die ihr mit einem scharfen Gegenstand beigebracht wurden, und zwar in den linken Thoraxbereich. Verletzt wurden dabei Herz, Lunge und auch die Leber. Die Stiche seien kurz nacheinander gesetzt worden und waren jeder für sich geeignet, den Tod herbeizuführen. Ein erheblicher Kraftaufwand sei beim Einstich nicht notwendig gewesen, wenn Jolin keine sehr dicke Jacke angehabt hätte. Zwar merkt man den Widerstand, wenn ein Messer die Haut überwinden muss, doch dann gleite ein Messer, das nicht auf Widerstand durch Knochen stößt, in den Körper wie »durch Butter«, so die genauen Worte der Gutachterin.

 

»Wenn das rauskommt, bin ich tot«

 

Im Anschluss an die Gerichtsmedizinerin wurde eine Bekannte von Jolin gehört, die laut ihrer Aussage mit Isa nur kurzen Kontakt hatte. Dieser hätte sie gebeten auf Jolin einzuwirken, damit sie das Kind abtreibt. Diesem Appell folgte die Zeugin und führte ein Gespräch mit Jolin, um sie von einer Abtreibung zu überzeugen, ohne ihr gegenüber zu erwähnen, dass Isa sie mit dieser Bitte am Arbeitsplatz aufsuchte. Die Zeugin bestätigte dem Gericht Isas Sorge und Angst, dass seine afghanische Familie ihn ausstoßen werde, sollte Jolin das Kind zur Welt bringen.

 

Die weitere Befragung der Zeugin gestaltete sich schwierig, weil sie behauptete, keinen weiteren Kontakt mit Isa gehabt zu haben. Allerdings wurden ihr Nachrichtenauszüge aus Facebook und der Chat-Software »Whatsapp« vorgelegt, die von der Polizei gesichert wurden. Die Zeugin gab an, sich nicht an diesen Austausch erinnern zu können, obwohl es sich um ein 15-seitiges Dokument handelt, das von den Beamten ermittelt wurde. Unter anderem findet sich folgender Satz von Isa im Chatprotokoll mit der Zeugin: »Ich bin echt verzweifelt, sie soll abtreiben, wenn das rauskommt, bin ich tot.«

 

Bei der vorgerichtlichen Vernehmung durch die Polizei schilderte die Zeugin ein Gespräch mit Jolin, in dem Jolin von Isas Ausrastern erzählte. So soll der Angeklagte geschrien und gedroht haben, er würde Jolin, sollte sie das Kind nicht abtreiben, umbringen und ihr das Baby aus dem Bauch treten.

 

Isa war nicht geschockt über die Ermordung von Jolin

 

Eine Zeugin, die gemeinsam mit Isa und seinem Bruder an der Fachhochschule in Rüsselsheim studiert, beschrieb den Angeklagten an einen netten, ruhigen und hilfsbereiten Kommilitonen, mit dem sie hin und wieder gemeinsam lernte. So auch am Tag des Mordes am 5. Februar 2013. Weil Isa angeblich noch Besorgungen für seinen Vater machen musste, verließ er die Lernrunde zwischen 16 und 17 Uhr.

 

Etwa um 19 Uhr bekam die Zeugin einen Anruf von Isa, der ihr nur erzählen wollte, dass er sich derzeit in einer Buchhandlung befinde. Die Angerufene war über diese Mitteilung verwundert und wusste nicht, warum er ihr dies telefonisch mitteilte. Er habe ihr ja sonst auch nicht mitgeteilt, wenn er in irgendeinem Laden war. Er hätte auch nichts anderes gesagt, als dass er jetzt in dieser Buchhandlung sei.

 

Am nächsten Morgen, am 6. Februar 2013, sah die Zeugin mehrere entgangene Anrufe, die alle von Isa stammten. Also rief die Zeugin ihn an, um sie fragen, was denn los sei. Isa hätte dann nur gesagt: »es ist etwas passiert, ich erzähle es dir gleich in der FH.« Tatsächlich berichtete er der Zeugin dort, dass seine Ex-Freundin Jolin erstochen wurde und er der Tat verdächtigt werde.

 

Offenbar von den Umständen unbeeindruckt, schrieb der Angeklagte gemeinsam mit der Zeugin noch eine Klausur, die er ungewöhnlich früh abgab. Zwischen der 1. und der 2. Klausur war die Zeugin noch mit Isa, seinem Bruder und weiteren Kommilitonen zusammen und wunderte sich, dass Isas Bruder völlig ungerührt war – als interessiere ihn das Geschehen nicht und auch die Tatsache, dass sein Bruder des Mordes verdächtigt wurde, berührte ihn augenscheinlich nicht. Auf Nachfrage der Zeugin, wen Isa denn als Täter in Verdacht habe, nannte er Jolins Ex-Freund Ramin. Sie empfand Isa nicht als sehr geschockt, allerdings glaubte sie zwischendurch Tränen in seinen Augen gesehen zu haben.

 

Die Zeugin berichtete weiter, dass sie und ihr Mann einmal bei Isa und seinem Bruder (die Eltern waren nicht anwesend) zum Fastenbrechen waren. Sie hält Isa für nicht besonders gläubig, denn er wisse praktisch kaum etwas über den Islam. Isas Bruder hingegen sei da völlig anders, und auch seine übrige Familie sei wohl sehr streng religiös, so die Zeugin. Sie berichtete auch vor Gericht, dass Isas Bruder seine ehemalige Freunde verlassen und nun mit seiner Frau verlobt sei, die sein Vater für ihn ausgesucht hat.  

 

Ohne Scham – Isa grinste Jolins Vater an und zwinkerte ihm zu

 

An diesem 4. Verhandlungstag war die Anhörung von Jolins Vater ein besonders bewegender, aber auch spannungsgeladener Zeitpunkt. Als er auf dem Zeugenstuhl Platz nahm, kam es zu empörten Rufen im Zuschauerraum, weil Isa, der ansonsten bislang keinen der Zeugen ansah, Jolins Vater scham- und taktlos angrinste und ihm zuzwinkerte. Dies war ein völlig unangemessenes Verhalten. Ungerührt von Isas Verhalten, entgegnete Herr S. vor Gericht, dass der Angeklagte dies alles für wohl witzig hält.

 

Zu Beginn beschrieb der Zeuge, dass er eine sehr gute Beziehung zu seiner Tochter hatte, die auch nach ihrem Auszug fast jedes Wochenende mit ihm Zeit verbrachte. Den Angeklagten traf Herr S. mehrfach, unter anderem bei Jolins Umzug. Er war auch darüber unterrichtet, dass Isa sie ständig anrief und nahezu stalkte. Er wollte immer wissen, was sie gerade macht und tauchte manchmal auch plötzlich bei ihr auf, so der Vater.

 

Als Jolin ihrem Vater von der Schwangerschaft erzählte, sei er absolut dagegen gewesen. Weniger gegen die Schwangerschaft an sich, sondern, dass seine Tochter ein Kind »von diesem Mann« bekommt.  Er habe bei Isa nur Probleme gesehen, hätte Jolin aber gesagt, dass er sie auf jeden Fall unterstützen werde – nur der Geldhahn, der bliebe zu. Er hatte gehofft, dass Jolin bei dieser Äußerung vielleicht doch eine Abtreibung in Erwägung zieht, da sie doch gerade ihr Leben mit einer guten Arbeitsstelle auf die Reihe bekommen hatte.

 

Jolins Vater berichtete dann im Weiteren von dem Tag, an dem er gemeinsam mit seinem Sohn und Jolin beim Frauenarzt war. Zu seiner Überraschung habe Isa da schon in der Praxis gesessen. Offenbar hatte auch Jolin nicht mit ihm gerechnet. Plötzlich habe Isa aufgeschrien, Jolin solle sofort abtreiben, denn sie hätte noch 2 Wochen Zeit.

 

Gegenüber Herrn S. hatte Isa dann auch darauf angespielt, dass Jolin ihn mit Ramin betrogen habe. Und im Übrigen sei Ramin gar kein echter Afghane, im Gegensatz zu ihm und seiner Familie, so Isa. Dann habe Isa Jolin mit einem eiskalten Blick angesehen und gefragt, was sie glaubt, was passieren würde, wenn sein Vater und Bruder von der Schwangerschaft erfahren. Gleichwohl habe man aber auch Verzweiflung in seinen Augen gesehen, so der Vater von Jolin.

 

Der Zeuge empfand die Situation als äußerstbedrohlich und wollte eigentlich zur Polizei gehen, doch seine Tochter Jolin hielt ihn davon ab. Sie glaubte fälschlicherweise, dass Isa hätte sowieso nichts machen können. Kurz vor ihrem Tod hatte Jolin noch einmal mit ihrem Vater telefoniert und ihm gesagt, dass sie seit einigen Tagen nichts mehr von Isa gehört hatte und dies als merkwürdig bezeichnete.

 

Isa war bereits einer Afghanin versprochen

 

Für Isas Familie sei die Schwangerschaft eine Schande gewesen. Jolin wusste allerdings offenbar von Anfang an, dass Isa einer Afghanin versprochen war.

 

Der Zeuge wurde dann auch noch kurz zum Ex-Freund seiner Tochter Ramin befragt: Dieser sei ihm zunächst sympathisch gewesen, nachdem er aber erfahren hatte, dass Ramin in kleinkriminelle Aktivitäten verstrickt war, hätte er auch nicht mehr gewollt, dass Jolin zu ihm engeren Kontakt hielt.

 

Offenbar im Hinblick auf die nun seit Tagen immer wieder in sämtlichen Aussagen auftauchende Tatsache, dass für Isas Familie die Beziehung zu einer deutschen Frau eine Ehrverletzung und eine Schande darstellte, versuchte einer der Verteidiger nun den Spieß herumzudrehen und fragte Herrn S., ob er etwas gegen Afghanen habe. Der Zeuge, ein amerikanischer Staatsbürger, verwies darauf, dass sein Land Krieg gegen Afghanistan führte und dass viele seiner Landsleute dort ums Leben gekommen seien. Trotzdem finde er es richtig, dass die Amerikaner den afghanischen Bürgern Hilfe leisteten. Der Verteidiger hakte nach: »Aber sie wollen sie (Afghanen) nicht in ihrer Familie haben?« Herr S.: »Nach meinen Erfahrungen: So ist es.«

 

Abschließend wurde der schon mehrfach erwähnte Brief, den Jolin an Isas Vater entworfen hatte, vorgelesen: ».. ich bin mit Isa zusammen und bin von ihm schwanger geworden. .. Ihr Sohn terrorisiert mich… Ich bin katholisch erzogen und bin gegen Abtreibung. … Er macht mir Angst, ich kann so nicht leben. … Er sagte mir, solange sein Kind in mir wächst, könne er mit mir machen was er will. Ich weiß nicht, was er damit sagen will, aber ich werde mein Kind nicht töten. … Ich weiß, dass eine außereheliche Schwangerschaft und noch dazu mit einer Deutschen eine Schande für Ihre Familie ist…«

 

Das Verfahren wird am 25. November 2013 fortgesetzt.

 

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 11.11.2013
 

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