Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Jolin S. / 16. Dezember 2013
Der angeklagte Isa, der wegen Mordes in Wiesbaden vor Gericht steht, war am 7. Prozesstag sichtlich gut gelaunt. Der 23-jährige Afghane tötete Jolin S. und ihr ungeborenes Baby, weil er keine
Schande über seine Familie bringen wollte. Unsere Gerichtsreporterin Brigitta Biehl hat auch von diesem Verhandlungstag ihre Beobachtungen zusammengefasst.
Am heutigen Verhandlungstag wurde erneut das Thema „Mobilfunk“ erörtert. Erneut bestätigte nun ein Sachverständiger, dass die Tatortzelle unter keinen Umständen den Bereich des Hähnchengrills, wo
sich der Angeklagte aufgehalten haben wollte, versorgen könnte.
Es wurde dann ein weiterer Zeuge gehört, der ebenfalls mit Isa zusammen in Haft gewesen ist. Er sollte aussagen, ob Isa dem Zeugen Yaghoubi, der am 1. Tag ausgesagt hatte, seinen Haftbefehl gezeigt
habe, ggfs. auch andere Schriftstücke. Der Zeuge litt an erheblichen Erinnerungslücken: Zwar sagte er immer wieder, dass dies so sei – allerdings hatte er diese Kenntnisse letztlich nur vom
Hörensagen: „Alle wussten das“. Es habe sich auch herumgesprochen, dass der Yaghoubi mit der Polizei über Isa gesprochen habe. Allerdings wurde dem Zeugen dann ein Brief vorgehalten, den er aus der
Haft geschrieben hatte: „Ich habe heute in der Zeitung gelesen und da stand eine ganze Seite über Isa, dass der Iraner ihn verraten hat“. Die Nebenklage hielt dem Zeugen daher vor, wohl erst aus der
Zeitung von dem „Verrat“ erfahren zu haben.
Anschließend ging es erneut um die Zeitanzeige der Filiale Hugendubel. Die Überwachungskameras hatten Isa um 18:22 Uhr („Bildschirmzeit“) aufgenommen; die ermittelnden Polizeibeamten hatten am
6.2.13, also am Tag nach der Tat, festgestellt, dass die Kameraanzeige um 22 Minuten von der Echtzeit abwich.
Die als Zeugin geladene Kriminalkommissarin bestätigte dies und beschrieb, dass sie und ihr Kollege sich die Aufnahmen genauestens angesehen hatten und dann sämtliche Sequenzen, auf denen Isa zu
sehen war, vom Detektiv auf CD gebrannt wurden. Es war allerdings so, dass keine einzige Kamera den Zutritt Isas in die Filiale gefilmt hatte. Erklärbar sei dies dadurch, dass die Kamera, die den
Eingangsbereich umfasse, im Wesentlichen nach links gerichtet war und große Teile des Eingangsbereichs nicht erfasst habe. Es gibt insgesamt wohl 15 Kameras bei Hugendubel. Als man Isa das erste Mal
um 18:22 „Kamerazeit“ gesehen habe, hatte er noch die warme Winterjacke an und seine Mütze, was dafür spreche, so die Zeugin, dass er sich noch nicht so lange im Laden aufgehalten hatte.
Diese Angaben bestätigte ein weiterer Polizeibeamter, der auch bestätigte, dass es eine einzige Systemzeit gab, also keine weiteren abweichenden Zeiten, wie der Detektiv seinerzeit in seiner Aussage
angedeutet hatte.
Ein weiterer sachverständiger Zeuge beschrieb dann noch einmal die Auswertung der Videoüberwachungsanlage Hugendubel, wobei er insbesondere bekräftigte, dass sich auch bei einem Kopiervorgang die
Daten nicht verschieben. Ratlos war der Zeuge allerdings, als danach gefragt wurde, wie es sein kann, dass am 6.2.13 die Uhr um 22 Minuten abwich, inzwischen aber nur noch um 15 Minuten – dies konnte
er sich und den Anwesenden nicht erklären.
Es wurde dann eine Sachverständige des LKA zu der Frage gehört, ob die Untersuchung der Textilien und Fasern verwertbare Erkenntnisse gebracht hatten. Das Wichtigste dürfte dabei gewesen sein, dass
an der Außenseite der sog. „Tankhandschuhe“, die man in der unmittelbaren Umgebung des Tatortes gefunden hatte, Faserspuren von Isas Handschuhen, die in der Jacke, die er am Tatabend anhatte,
steckten, gefunden wurden.
Sowohl von der Nebenklage als auch von der Verteidigung wurden sodann weitere Anträge gestellt:
Die Nebenklage möchte den Polizeibeamten hören, der Isa aufgesucht hatte und ihm die Nachricht über Jolins Tod überbracht hatte. Dieser hatte über Isas Reaktion einen Aktenvermerk verfasst, so
ungewöhnlich war sie ihm erschienen.
Die Verteidigung möchte einen Uhrenzeitvergleich mit der Atomzeituhr über 4 Wochen, um zu beweisen, dass die „Kamerauhr“ bei Hugendubel am 6. Februar 2013 nicht 22 Minuten nachging. Ferner möchte sie
einen Kommilitonen als Zeugen hören, der bestätigen soll, dass Isa sich am 5.2.13 ganz normal verhalten habe. Und es soll ein Dozent gehört werden, der bestätigen soll, dass sich Isa am 6.2.13 „ganz
normal“ verhalten habe.
Das Verfahren wird am 6. Januar 2014 fortgesetzt.
Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 16.12.2013
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