Peri e. V. begrüßt den Beginn des Prozesses gegen den Vater der ermordeten Arzu Özmen / 25. Januar 2013
Die achtzehnjährige Arzu Özmen war am 1. November 2011 aufgrund ihrer Beziehung zu einem Nicht-Jesiden von ihrer eigenen Familie ermordet worden. Nachdem der Bundesgerichtshof Anfang dieses Jahres
die Revisionsanträge von Osman und Kirer Özmen zurückgewiesen hat, sind alle Urteile gegen die Geschwister Arzus rechtskräftig. Dennoch scheinen nicht alle Hintergründe aufgeklärt worden zu sein:
Arzus Vater Fendi Özmen muss sich ab dem 28. Januar 2013 vor dem Landgericht in Detmold verantworten.
Peri - Verein für Menschenrechte und Integration e. V. begrüßt diese jüngste Entwicklung und hofft, dass dadurch die Rolle des Vaters einwandfrei geklärt wird, zumal als erwiesen gilt, dass Arzu
Özmen unter häuslicher Gewalt litt. Gleichzeitig befremdet es uns, dass das Gericht sich unter Verweis auf den kulturellen Hintergrund der Familie nicht näher mit der Rolle von Arzus Mutter
beschäftigen wird - sie habe nicht die Stellung in der Familie gehabt, um die anderen Familienmitglieder von ihrer Tat abhalten zu könne. Zu Recht hat die Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung
Beschwerde eingelegt. Peri e. V. hält die ständigen Verweise auf angebliche "kulturelle Hintergründe" vor deutschen Gerichten für eine dringend zu korrigierende Fehlentwicklung und spricht sich dafür
aus, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Kultur ernst zunehmen und kulturrelativistische Positionierungen zu vermeiden. Dazu gehört eben auch, nach der Verantwortung eines Menschen
für sein Handeln oder Nicht-Handeln zu fragen statt sich den Anschein eines völkerkundlichen Seminars zu geben. Nach unserer Erfahrung können Frauen in patriarchalischen Familien durchaus in die eine
oder andere Richtung bestärkend wirken und haben manchmal ein besonderes Augenmerk auf die Wahrung der "Familienehre". Und sollte dies in einem bestimmten Fall nicht zutreffen, so darf von einer
Mutter dennoch erwartet werden, dass sie unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund in der Pflicht steht, ihr Kind zu schützen, und sich nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig macht.
Zudem sei daran erinnert, dass das Gericht Arzus Schwester Sirin einen aktiven Part als eigentliche Drahtzieherin zuschreibt - woraus man ersehen kann, dass Frauen in der Familie Özmen durchaus
Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten haben. Dies für die Schwester der Ermordeten festzustellen, für die Mutter aber von vorneherein zu verwerfen, erscheint uns als Widerspruch. In
patriarchalischen Systemen treten Frauen keineswegs nur als Opfer in Erscheinungen, sondern auch als Komplizinnen. Im vorliegenden Fall müsste zumindest die Frage entsprechend gestellt werden,
anstatt sie gar nicht erst zuzulassen.
Peri e. V. wird auch diesen Prozess kritisch begleiten und dokumentieren. Die rückwärtsgewandten Traditionen, die in der Familie Özmen offenkundig mächtig sind und das Leben eines Menschen gefordert
haben, werfen konsequenterweise die Frage nach der Rolle der Eltern als mögliche Träger und Vermittler dieser Traditionen auf. Auf die Frage erhoffen wir uns in den kommenden Wochen eine
Antwort.
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