Peri Verein für Menschenrechte und Integration gedenkt der ermordeten Arzu Özmen / 30. Oktober 2012

Am 1. November 2011 wurde die damals achtzehnjährige Jesidin Arzu Özmen Opfer eines "Ehrenmordes". Heute, ein Jahr nach der Tat, sind noch längst nicht alle Zusammenhänge restlos aufgeklärt. Zwar wurden im Mai dieses Jahres Urteile gegen Arzus Geschwister gesprochen. Nachdem im September aber die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, müssen sich nun auch die Eltern von Arzu Özmen vor Gericht verantworten.

Peri Verein für Menschenrechte und Integration gedenkt der Ermordeten, die sterben musste, weil ihre Familie die Beziehung zu einem Nicht-Jesiden nicht tolerierte. Wir mahnen die Öffentlichkeit, sogenannte "Ehrenmorde" nicht als bedauerliche Einzelfälle abzutun. Der Freiburger Psychologie-Professor Jan Ilhan Kizilhan, der sich eingehend mit dem Fall Arzu Özmen befasst hat, kommt richtigerweise zu dem Schluss: "Bei einem Ehrenmörder spielt auch der soziale Konflikt eine Rolle, die Gruppe. Es dreht sich alles um die Frage: Was denken die Verwandten? Sind wir schwach?"

Daher muss in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür entstehen, dass "Ehrenmorde" nur in einem Umfeld möglich sind, das die Tat gutheißt. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, die sich mit dem Fall befassten, Opfer von Einschüchterungsversuchen, Gewalt- und Morddrohungen geworden sind. Erschreckend sind auch die zahlreichen, gut dokumentierten Äußerungen, die der Tat zustimmen. Wer, so fragen wir, hat ein Interesse daran, Aufklärung und Berichterstattung zu behindern? Wer stellt sich angesichts eines solchen Verbrechens auf die Seite der Täter?

Die Ehre ist in diesen Kreisen von essentieller Bedeutung und wird höher als ein Menschenleben bewertet. Das "Verbrechen" der Frau, das in freier Entfaltung und einem Verstoß gegen die jesidische Religion sowie Tradition besteht, wird als Angriff auf die ganze jesidische Gemeinschaft verstanden, so dass auch die Gemeinschaft als ganze zum Handeln aufgerufen ist. In der Regel beschließt der Familienrat, was zu tun. Ihre Geschwister, u.a. Kemal und Elvis, wollten begraben, was sie als Unehre der Familie betrachteten. Diese Gewaltanwendung gegen Arzu Özmen ist eine Hinrichtung. Demnach wäre ein offener Vollzug für Kemal und Elvis Özmen, wie er derzeit im Gesspräch ist, ein fataler Rückschritt in der Bekämpfung der "Ehrenmorde". Ein offener Vollzug für Kemal und Elvis Özmen signalisiert nicht nur Arzus Mördern, sondern den Nachahmern der Özmen-Geschwister: "Der Staat schützt die 'Ehren'- Täter." Der offene Vollzug ist nur angebracht, wenn Täter sich mit ihrer Tat auseinandergesetzt haben und sie bereuen. Diesen Anschein haben die Geschwister Özmen nicht erweckt. Der offene Vollzug bedeutet eine Begünstigung und wir befürchten, dass er bei den Tätern sowie möglichen Nachahmern den Eindruck erweckt, dass der Staat ein gewisses Verständnis für den archaischen Ehrbegriff dieser patriarchalischen Gesellschaften signalisiert. Bei den bedrohten und gefährdeten Frauen entsteht so der fatale Eindruck, dass der deutsche Staat ihre lebensbedrohende Notlage nicht ernst nimmt.

Peri e. V. verlangt eine lückenlose Aufklärung über die Rolle der Eltern sowie über die Vorgänge innerhalb der Community, der Arzu Özmen entstammt. Nach wie vor fordern wir einen Gedenkstein für Arzu an einer zentralen Stelle, um die Erinnerung an ihre Ermordung wachzuhalten.

 

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