Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Mordkomplott-Prozess in Wuppertal / 10. Januar 2014

Vier Männer standen seit dem 22. November 2013 in Wuppertal vor Gericht. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, sich zu einer Geiselnahme verabredet sowie versucht zu haben, einen der Mitangeklagten zu einem Verbrechen, nämlich Mord und Geiselnahme, zu bestimmen. Am Freitag fällte das Landgericht in Wuppertal die Urteile.

Das potentielle Opfer, der Sohn des Angeklagten Fehmi S., soll sich Anfang 2013 von seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern abgewandt und eine Beziehung zu der niederländischen Staatsangehörigen K. aufgenommen haben. Der Angeklagte Fehmi S. soll die Trennung seines Sohnes von dessen Ehefrau nicht gebilligt und den Entschluss gefasst haben, seinen Sohn notfalls mit Gewalt zu einer Rückkehr zu seiner Familie zu bewegen und die Geliebte zu töten.

Zu Beginn des Verhandlungstages kündigten die Anwälte des angeklagten Mehmet S. an, dass auch ihr Mandant eine Einlassung abzugeben beabsichtige, allerdings noch nicht am heutigen Tag. Das Verfahren gegen ihn wurde daher abgetrennt und wird gesondert in einem neuen Prozess verhandelt.

Besonders erschreckend und aufschlussreich waren die Protokolle der Telefonüberwachung, die im Folgenden auszugsweise gelistet sind:


Telefonat vom 24. März 2013 zwischen den angeklagten Fehmi S. und Zekeriya Y.:

Zekeriya: „Sie werden im Beisein der Frau dem Sohn 1-2 Schläge verpassen und ihn dann einpacken.“
Fehmi: „Aber sag ihnen, sie sollen beiden erst die Telefone abnehmen.“
Zekeriya: „Sie haben keine Chance ihr Telefon zu benutzen. Wenn die Telefone ins Spiel kommen, kommt die Polizei.“
Fehmi: „Sie sind ja auch keine Anfänger.“
Zekeriya: „Sie werden ihn knebeln, sie werden beide richtig schön verprügeln und ihnen sagen, wenn ihr so weitermacht, werdet ihr schon etwas erleben.“
Fehmi: „Natürlich. Bringt den Jungen sofort zu mir.“
Zekeriya: „Und dann mischst du dich nicht ein. Wenn gefragt wird, welcher Ehrlose hat ihn verprügelt, weißt du von nichts. Mach dir keine Sorgen. Ich wusste von Anfang an, dass es eine Weibergeschichte war.“
Fehmi: „Wir dachten, er kehrt zurück.“
Zekeriya: „Sicher haben sie den Jungen mit einem Zauber belegt. Unter dem Zwang des Zaubers kann das zu schlimmen Dingen führen. Es gibt einen Hodscha, der nimmt kein Geld. Wenn es einen Zauber gibt, wird er ihn auflösen. Warte du ab, niemand weiß etwas. Wenn ich mit Nuh [Einer der Angeklagten; Anmerkung der Autorin] zu dir komme, weißt du Bescheid.“


Telefonat vom 28. Februar 2013 zwischen Zekeriya Y. und Mehmet S.:

Zekeriya: „Ich brauche Deine Hilfe. Es ist nichts Schlimmes, es geht um den Sohn eines Freundes. Der Sohn hat eine Geliebte, er hat 4 Kinder. Den werden wir zusammenschlagen. Was auch immer es kostet, ich werde das bezahlen.“
Mehmet: „Wo ist er? In Venlo habe ich mächtige Freunde.“


Telefonat vom 28. März 2013 zwischen Zekeriya Y. und Nuh C.:

Zekeriya: „Kannst du zu mir kommen? Wir fahren nach Dortmund, jemandem etwas bringen. Den Auftrag habe ich jemand anderem gegeben, dem alten Mann, der macht das. Die werden ihn bringen und das Weib stopfen und verkloppen.“


Telefonat vom 28. März 2013, ebenfalls zwischen Zekeriya Y. und Nuh C.:

Nuh: „Ich habe mit Abi (gemeint ist Fehmi) gesprochen. Die Polizei ist zu seiner Wohnung gekommen. Jemand hat die Polizei informiert. Ich habe Fehmi informiert. Fehmi will das erst einmal verschieben.“
Zekeriya: „Der Mann hat mich zusammengeschissen“
Nuh: „Die Männer würden kein Risiko eingehen.“


Telefonat vom 9. April 2013 zwischen Zekeriya Y. und Mehmet S.:

Mehmet: „Kommst du?“
Zekeriya: „Ich komme.“
Mehmet: „Hast du es mit ihm besprochen? Was hat er gesagt?“
Zekeriya: „In Ordnung. Wir machen bei allem mit. Du befiehlst, die Angelegenheiten werden erledigt. Die machen das nicht umsonst, die sollen auf ihre Kosten kommen.“
Mehmet: „Die nehmen 2.000,- €. Ohne Geld mache ich nichts. Ich werde die Familie recherchieren.“


Telefonat vom 10. April 2013 zwischen Nuh C. und Zekeriya Y.:

Nuh: „Mein Abi (Fehmi) hat angerufen. Sag dem Mehmet, die sollen das Mädchen töten.“
Zekeriya: „Wieso?“
Nuh: „So sagt er es.“
Zekeriya: „Sei geduldig. Der Junge ist nicht in der Nähe. Wenn wir vorschnell handeln, werden sie uns alle hochnehmen.“
Telefonat vom 11. April 2013 zwischen Nuh C. und Zekeriya Y.:

Zekeriya: „Der Mann hat gesagt, Mittwoch werde er ihn verpacken. Ich werde ihn dir übergeben.“
Nuh: „Es ist nicht nötig, so eine große Sache daraus zu machen.“


Telefonat vom 2. Mai 2013 zwischen Nuh C. und Zekeriya Y.:

Zekeriya: „Gerade habe ich mit Demir Abi gesprochen. Ich habe ihm gesagt, Fehmi hat gesagt, den Jungen werden wir bringen, aber die andere Seite werden wir vernichten.“

Der Richter fragte nach, welcher Betrag für die Erledigung des Auftrags fließen sollte. Bei den 2.000,- € habe es sich um eine Anzahlung gehandelt, über den Gesamtpreis sollte nach Erledigung des „Auftrages“ verhandelt werden.

Das Gericht fragte sodann noch nach, ob es sein könne, dass Fehmi sich in seiner Ehre verletzt gefühlt habe, weil sein Sohn die Familie verlassen habe, denn die Ehe sei ja von ihm als Vater arrangiert worden. Dies bestritt Fehmi, allerdings eher lau: Seine Motivation sei es gewesen, den Vater zu seinen Kindern zurückzubringen.

Das Gericht fragte dann nochmals nach, ob die Ehe arrangiert worden sei, wie sich denn die Eheleute kennengelernt hätten. Es stellte sich heraus, dass es sich bei Fehmis Schwiegertochter um eine weitläufige Verwandte handelte. Fehmi meinte dann nur, man sitze dann eben so zusammen und dann hätte er seinem Sohn gesagt, wenn er dieses Mädchen heiraten wolle, dann solle er sie nehmen.

Nachdem dann die Beweisaufnahme geschlossen wurde, folgten die Plädoyers, zunächst das des Staatanwaltes, der die bekanten Tatsachen noch einmal zusammenfasste und das Ganze als Familientragödie bezeichnete.

Die geplante, glücklicherweise nicht zur Ausführung gekommene Tat selber wertete er als Anstiftung zur Geiselnahme und zum Mord. Auch in der Person des Fehmi liegt das Mordmerkmal „niedriger Beweggrund“ vor, da es sich um eine besonders verachtenswerte Einstellung handele. Dabei ist die Vorstellung der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik maßgeblich. Kulturelle Besonderheiten hätten keine Rolle zu spielen. Fehme hätte der Freundin seines Sohnes das Lebensrecht abgesprochen und sie damit zum Objekt seiner eigenen Wünsche gemacht. Positiv sei zu vermerken, dass alle drei Angeklagten eingeräumt hätten, dass sie unrecht gehandelt hatten.

Der Staatsanwalt beantragte für Fehmi eine Haftstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten, für Zekeriya 3 Jahre und 6 Monate und für Nuh 3 Jahre und zwei Monate.


Die Plädoyers der Verteidiger:

Zekeriyas Verteidiger bat lediglich um ein angemessenes Urteil: Die Vorwürfe seien zutreffen, die Telefonate hätten so stattgefunden. Fehmi hätte nicht aus niedrigen Beweggründen gehandelt, sondern er wollte seinen Enkeln die Familie erhalten.

Fehmis Verteidiger wollte, dass die Geständnisse besonders gewürdigt werden. Fehmi habe als Erster ein von Reue getragenes Geständnis abgelegt und die Verantwortung für alles übernommen. Er habe zugegeben, eine fatale Entscheidung getroffen zu haben.

Soweit die Frage der Ehre angesprochen worden sei, so handele es sich dabei eher um eine philosophische Frage, die mit juristischen Mitteln nicht geklärt werden kann und muss. Fehmis Motivation sei weniger verletzter Stolz gewesen, als vielmehr seine Vorstellung, wie Mann und Frau zusammenzuleben hätten und sein Wunsch, dass der Vater zu seinen Kindern zurückkehren möge. Die Sorge um seine Enkelkinder könne man ihm nicht absprechen. Und obwohl er bereits so lange hier in Deutschland lebe, habe er sich nicht von seiner alten Kultur lösen können. Eigentlich sei Fehmi doch ein Beispiel gelungener Integration: Nach seiner Einwanderung arbeitete er und trug damit auch zur deutschen Wirtschaft bei. Seine Kinder brachte er auf den gleichen Weg. Es sei auch zu berücksichtigen, dass niemand zu Schaden gekommen sei. Er bittet um ein mildes Urteil.

Nuhs Verteidiger machte längere Ausführungen zur juristischen Frage, ob Nuhs Beteiligung als Täterschaft oder nur als Beihilfe zu werten sei. Letztlich sei ja nichts passiert.

Die Angeklagten hatten dann das letzte Wort: Alle schlossen sich den Worten ihrer Verteidiger an. Zekeriya ergänzte noch, es tue ihm leid, dass er die deutsche Justiz mit dieser Sache belästigt habe.

Keinem der Angeklagten fiel jedoch ein, die potenziellen Opfer um Verzeihung zu bitten!


Das Urteil:

Zekeriya und Fehmi wurden zu jeweils 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt, Nuh zu 3 Jahren und 2 Monaten.

Dazu führte das Gericht aus, dass sich alle drei Angeklagten des Versuchs der Anstiftung zum Mord strafbar gemacht hätten. Alle hätten Fehmis Wertung übernommen und das Leben der Frau als geringwertig erachtet. Dies sei besonders verachtenswert.

Positiv hätte man gewertet, dass alle ein rückhaltloses Geständnis abgelegt hatten, dass dadurch ein schnelles Prozessende möglich war.

Alle drei hätten bislang weitgehend angepasst gelebt (lediglich Zekeriya hatte schon einmal eine Vorstrafe wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung). Die Haftbefehle wurden aufgehoben, und die zahlreich im Gericht vertretenen Angehörigen nahmen die nun Verurteilten strahlend und mit großer Begeisterung in Empfang.

Als Beobachterin dieses Verfahrens frage ich mich, ob dieses Verfahren bei den Tätern auch nur ansatzweise eine Veränderung im Denken herbeigeführt hat. Wären die Verabredungen nicht durch zufällige Telefonüberwachungen ans Tageslicht gekommen, wäre es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Mord gekommen, denn keiner der Beteiligten wollte von der Tat Abstand nehmen.

Wie glaubhaft ist die Darstellung von Fehmi, er wollte seinen Enkeln den Vater erhalten und seine Vorstellung, wie Eheleute zusammenzuleben hätten, durchsetzen, wenn er selber seine erste Frau verlassen hatte, als sein ältestes Kind gerade geboren wurde?

Kann man glauben, dass ein Geständnis „von Reue getragen“ ist, wenn nicht mit einem Satz der Situation des Sohnes und seiner Freundin gedacht wird, wenn nicht einem der Täter eine Bitte um Entschuldigung über die Lippen kommt?

Wenn in den Plädoyers gesagt wurde und auch im Urteil angedeutet, dass die Täter eigentlich „Musterbeispiele der Integration“ seien, dann wird es Zeit, Integration einmal zu definieren: Gehört dazu nicht auch die Akzeptanz der hiesigen Wertvorstellung, dass jeder Mensch selbstbestimmt leben darf?

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wiesbaden, 10.01.2014
 

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