Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Hanaa S. / 15. August 2016

 

1. Ein Polizeibeamter als Zeuge

 

Am heutigen Termin wurden 2 Polizeibeamten gehört:

einer sollte über seine Vernehmung eines Zeugen berichten, der zwar seinerseits ebenfalls geladen war, es aber vorzog, ohne Angabe von Gründen nicht zu erscheinen.

 

Es ging um einen Zeugen, der im Dezember 2015 ohne Ladung oder Vorankündigung bei der Polizeiwache erschien und behauptete, er könne Angaben zu der verschwundenen Hanaa machen. Da der vernehmende Beamte nicht so richtig wusste, was dieser Zeuge jetzt wohl zu sagen hätte, ließ er ihn zunächst einfach reden, wurde aber aus den Angaben auch nicht schlauer und wusste bis zum Ende nicht, was dieser Mann eigentlich wollte.

 

Der berichtete ihm, er sei ein Bekannter des Kioskbesitzers und der hätte schon mal Probleme mit der Polizei gehabt. Bei dem vernehmenden Beamten stellte sich jedenfalls der Eindruck ein, dass dieser Mann eher von ihm Informationen wollte, was die Polizei über die Tat so wusste als dass er selber Erhellendes hätte beitragen können.

Der Mann hatte geäußert, dass er, wenn er die Verdächtigen in der U-Haft besuchen könne, er das Verfahren vielleicht in der einen oder anderen Richtung beschleunigen könne.

Merkwürdigerweise hätte der Mann aber nicht klar gesagt, dass er die Beschuldigten besuchen wollte, sondern auch nur Drumherum geredet.

 

Da das Gericht und die übrigen Prozessbeteiligten durchaus ein Interesse daran haben, was einen Menschen dazu veranlasst, einen solchen wirren Auftritt bei der Polizei hinzulegen, wird der Zeuge demnächst wohl vorgeführt werden.

 

2. Die Polizeibeamtin und der Taxifahrer

 

Gehaltvoller war da die Aussage der zweiten Zeugin, ebenfalls Polizeibeamtin, die die 2. Beschuldigtenvernehmung des von mir bereits angesprochenen Taxifahrers protokolliert hatte.

 

Zu dieser brachte besagter Taxifahrer seinen Rechtsanwalt als Beistand mit und beschrieb Folgendes:

 

Am 20.4.2015 hatte der Schwager von Hanaa, R., Besitzer des Kiosks, ihn abends angerufen und um einen Gefallen gebeten: er solle am kommenden Tag morgens um 8 Uhr in der Hasselstraße sein. Gemeinsam  mit seinem Bruder sah sich der Taxifahrer über Google maps die Straße an und wunderte sich noch, dass es sich um eine Straße, die u-förmig verlief handelte, und dass sich dort sehr viel Grün befand.

 

Pünktlich am nächsten Tag stand er dann vor der angegebenen Anschrift. Es kam dann der Schwager R. mit seinem weißen Lieferwagen zu ihm, gab ihm Geld und zeigte ihm ein Foto. Er solle ihm eine SMS schicken, wenn die Frau käme. Die Nachfrage, was denn da geplant sei, doch wohl nichts Schlimmes, beantwortete R. mit „Nichts Schlimmes.“ Dann ging R. wieder zu seinem Lieferwagen zurück.

 

Kurze Zeit später erschien der älteste Sohn von Hanaa, Y., den der Taxifahrer schon früher einmal im Kiosk gesehen hatte und den R. ihm als ältesten Sohn seines Bruders S. vorgestellt hatte, schleppte eine schwere Sporttasche und begab sich in das Haus, vor dem der Taxifahrer stand und in dem die Wohnung von Hanaa sich befand. Einige Zeit später betrat auch R. das Haus.

 

Der Taxifahrer hatte die SMS vorbereitet („sie kommt jetzt“), und als er Hanaa aus dem Bus steigen sah, schickte er die Nachricht ab. Unmittelbar darauf fuhr er fort, nach Mönchengladbach zu einem Termin, den er beim Jobcenter hatte.

 

Der Taxifahrer berichtete auch, dass es schon zuvor zwei Observierungen gegeben hatte: so sollte er einmal nach Düsseldorf zum Amtsgericht fahren; da sei noch jemand mitgefahren. Vor dem Parkhaus zum Amtsgericht hätten beide dann lange auf die Frau gewartet; die sei aber nicht gekommen und man habe dann abgebrochen. Es sei aber noch ein dunkler BMW (der war von R.‘s Bruder in Köln) und ein silberner BMW mit polnischem Kennzeichen erschienen. Für die Observierung hatte er damals 150,- € bekommen.

 

Eine zweite Observierung hatte es dann beim Amtsgericht Mettmann gegeben; hier hatte ihn der älteste Sohn Y. begleitet. Der Auftrag war, zu gucken, ob Hanaa aus dem Gericht kommt und ihr dann zu folgen, um ihre Anschrift herauszufinden. Auch diese Observierung verlief allerdings ergebnislos.

 

Die Zeugin berichtete noch, dass der Taxifahrer mit einem Zettel, auf dem er Stichpunkte notiert hatte, in die Vernehmung gekommen war und entlang dieses Zettels (den der Richter anschließend in Augenschein nehmen ließ und verlas) erzählte. Die Zeugin hatte das Gefühl, dass der Taxifahrer letztlich erleichtert war, alles, was ihm bekannt war, gesagt zu haben.

 

Die Situation in den Vernehmungen hatte ihn zuvor wohl erheblich belastet, als er hörte, dass Hanaa getötet worden war. Ihm war wohl bewusst geworden, dass er sich etwas tief in die Gefälligkeit für R. hineinbegeben hatte. Mehrfach betonte er aber, dass er große Angst vor der Familie der Angeklagten hatte. Er erwähnte in diesem Zusammenhang seine Mutter und einen Taxistand; er befürchtete jeweils, dass die Familie dort beobachtete. 

 

Die Verteidiger widersprachen auch hier der Verwertung der Aussage dieser Zeugin, weil es in ihren Augen Unstimmigkeiten über die korrekte Belehrung des Taxifahrers (als Zeugen und als Beschuldigten) gebe.

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Wuppertal, 15.08.2016
 
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