Islamfreundlicher Unterricht / 24. Januar 2011

Stellungnahme zum Thema "Unterricht islamfreundlich gestalten".

Peri Verein für Integration und Menschenrechte e. V. ist schockiert darüber, dass das von der SPD geführte Kultusministerium in Rheinland-Pfalz eine so genannte islamfreundliche Unterrichtsgestaltung an den Schulen des Landes plant und gibt deshalb hierzu folgende Stellungnahme ab.

Wie einem Bericht des Magazins „Focus“ und anderen Medien zu entnehmen ist, plant die SPD einen „islamfreundlichen“ Unterricht. Wir sind jedoch überzeugt, dass solche Maßnahmen sich letztlich auf das allgemeine Schulklima negativ auswirken werden, zumal hier ausschließlich Interessen autoritärkonservativer Strömungen unter den Muslimen bedient und somit Möglichkeiten geschaffen werden, auf die große Zahl der liberalen Muslime religiösen Druck auszuüben. Das Konzept, das sich „freundlich“ gegenüber der Religion Islam gibt, entpuppt sich somit im Grunde als feindlich gegenüber den Muslimen, da es die Lebensqualität von zahlreichen muslimisch geprägten Menschen einschränken könnte.

Zudem ist diese „Rücksicht“ irrelevant, da hiermit vorgegeben wird etwas Gewohntes bieten zu wollen. Dazu sollte man wissen, dass an Schulen der jeweiligen Herkunftsländer oftmals strikte Disziplin herrscht, die keine Abweichungen von den üblichen Verfahrensweisen zulassen. Rücksichtnahme heißt ja ein Abweichen von der Norm, was folgerichtig zu chaotischen Zuständen führt. Uns als Verein für Integration und Menschenrechte ist es ein Anliegen, dass an unseren Schulen ein respektvolles Miteinander stattfindet. Dazu gehört es auch, den anderen ernst zu nehmen.

Daher vertreten wir die Ansicht, dass muslimischen Eltern sowie muslimischen Schülerinnen und Schülern dieselbe Vernunft zugetraut werden muss wie anderen Menschen auch. Deshalb halten wir es für richtig, dass muslimische Kinder im Ramadan Klassenarbeiten schreiben sollen, wie es katholische Kinder während ihrer Fastenzeit ja auch tun. Alles andere würde den schlimmen Verdacht nahe legen, dass die Autoren der von uns kritisierten Broschüre auf dem Standpunkt stehen, Muslime befänden sich auf einer niedrigeren Zivilisationsstufe als Katholiken und wären daher auch nicht in gleichem Maße fähig, sich mit schulischen Gegebenheiten zu arrangieren. In diesem Sinne diskriminieren die in der Broschüre vorgeschlagenen Maßnahmen keineswegs nur Nichtmuslime, sondern auch letztlich die Muslime selbst.

Man mag sich darüber streiten, ob es Sinn oder Unsinn ist, Sexualkundeunterricht in homogene Gruppen aufzuteilen. Ein Schritt rückwärts in der Kommunikation heterogener Gruppen ist es auf jeden Fall. Die Koedukation gilt zu Recht als wichtiges Instrument zur Herstellung der Gleichheit der Geschlechter, welche anzustreben der Staat durch das Grundgesetz verpflichtet ist. Wir zeigen uns bestürzt darüber, dass Parteien, die ihrem eigenen Verständnis nach „progressiv“ sind, diese Errungenschaft derart leichtfertig aufgeben wollen. Die Schule solle, so die Verantwortlichen, „die unterschiedlichen Wertvorstellungen respektieren und darauf Rücksicht nehmen“.

Das ist ein Punkt, auf den Peri e. V. intensiver eingehen möchte. Ob sich die Verfasser des Faltblattes tatsächlich darüber im Klaren sind, WEN oder WAS sie damit unterstützen? Welche Wertevorstellungen meinen sie? Erstens herrscht unter vielen Zuwanderern aus muslimischen Ländern die Vorstellung, dass Nichtmuslime gar keine Werte besitzen. Zweitens beinhaltet die Wertevorstellung eines politischen Islam, welcher sich weitgehend in Deutschland öffentlich präsentiert und lange nicht als Vertreter aller Zuwanderer aus muslimischen Ländern gelten kann, die Unterdrückung der Frau und Fremdenfeindlichkeit.

„Das Faltblatt sei ein Ergebnis der Arbeitsgruppe „Religion“, an der Vertreter der christlichen Kirchen, der jüdischen Gemeinde und von muslimischen Organisationen beteiligt gewesen seien. Interessant wäre zu wissen, welche muslimischen Organisationen beteiligt waren. Welche Lösungen bieten sie an, um die Wertevorstellungen ihrer männlichen Schüler zu korrigieren? Und wie gehen sie mit dem Thema partnerschaftliche „Beziehungen“ zwischen muslimischen Schülern und nichtmuslimischen um? Wird das Selbstbestimmungsrecht betont?

Zentrales Anliegen sei, „den Schulen Orientierungshilfen und Anregungen für eigene Lösungen vor Ort bei der Integration von Schülern muslimischen Glaubens zu geben“. Orientierungshilfe für ALLE Schüler würde ein Ethikunterricht erfüllen, der die Menschenrechte betont und die Menschenrechtsverletzungen der jeweiligen Herkunftsländer behandelt. Wir denken jedoch, dass hier nur eine Situation geschaffen wird, die keine Probleme löst, sondern sie erst schafft und die multiethnische Gemeinschaft der Schüler in nur zwei Gruppen teilt, „Muslime“ und „Nichtmuslime“. Der Konfessionalisierung des Schulalltags wird somit Vorschub geleistet. Unsere Position ist es, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen leider nur dazu geeignet sind, die bisher erbrachten Leistungen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die sich aus geschichtlicher Verantwortung mit Integrationsproblemen befasst haben, völlig zunichte zu machen, und stattdessen jene Kräfte stärken könnten, die nicht an einem Miteinander interessiert sind. An dieser Stelle möchten wir den Präsidenten des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger zitieren, dessen Aussage wir unterstützen:

„Der Flyer ist eine Anleitung, wie ich Konflikte an der Schule im Sinne meiner Klientel schüren kann. Dies ist kein Integrations-, sondern ein Segregationspapier“.

Mit freundlichen Grüßen

Serap Cileli und Thomas Steffen Baader

 

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