Erdogan erhält Steiger Award / 13. März 2012
Eine Auszeichnung Erdogans in Deutschland ist unangemessen und integrationsfeindlich
Peri e.V., Verein für Menschenrechte und Integration verurteilt die geplante Verleihung des "Steiger Award" an den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die am 17. März in Bochum
stattfinden soll, aufs Schärfste.
Erdogan trieb mit seinen integrationsfeindlichen Äußerungen in der Vergangenheit immer wieder einen Keil zwischen Einheimische und Zuwanderer in Deutschland. Im Hinblick auf den Mangel an
Pressefreiheit, wie er derzeit in der Türkei vorherrscht, erscheint es wie Hohn, dass Erdogan in Deutschland für "seine Bemühungen um einen demokratischen Wandel in seinem Land", wie man der Presse
entnehmen kann, ausgezeichnet werden soll. Erdogan ist Ministerpräsident eines Landes, in dem nach wie vor unbequeme Denker - Schriftsteller, Journalisten und Menschenrechtsverteidiger - eingesperrt
werden. Kritik an diesem Vorgehen der Justiz war von Erdogan bislang noch nicht zu hören. Ebenso wenig ist bekannt, dass die einschlägigen gesetzlichen Regelungen, auf die sich die Gerichte stützen,
reformiert werden sollen. Es ist daher zu befürchten, dass die geplante Preisverleihung eine ähnliche Peinlichkeit und Geschmacklosigkeit darstellen wird wie die Auszeichnung des Rappers Bushido mit
einem "Integrations-Bambi" im vergangenen Jahr. In diesem Zusammenhang ist auch der afghanische Präsident Hamid Karzai zu nennen, der im Jahre 2007 mit dem "Steiger Award" in der Rubrik "Toleranz"
ausgezeichnet wurde - und der jetzt, wie man aktuell der Presse entnehmen kann, Gewalt gegen Frauen in seinem Land offiziell genehmigt. Deshalb stellt sich für uns die Frage, ob die positive
Hervorhebung solcher dubioser Preisträger letztlich nichts anderes ist als ein Schlag ins Gesicht für all jene Menschen in Deutschland mit ausländischen Wurzeln wie auch in den jeweiligen
Herkunftsländern lebenden Aktivisten, die sich, im Gegensatz zu Erdogan und Bushido, wirklich für Integration, Demokratie und Menschenrechte einsetzen.
Man stelle sich einen Politiker in Deutschland (oder einem anderen Land der Europäischen Union) vor, der
- offen ein reaktionäres Frauenbild vertritt,
- einen erpresserischen und von Drohungen geprägten Tonfall in die internationale Diplomatie einführt,
- einen Völkermord leugnet,
- den Abriss eines Denkmals anordnet, das für die Versöhnung der beiden durch den Völkermord entzweiten Nationen steht,
- sich immer wieder lobend über Diktatoren äußert.
Ein solcher deutscher Politiker würde in der Öffentlichkeit zweifellos als Rechtspopulist gelten. Dieselben Maßstäbe sind auch an Erdogan anzulegen, auf den alle die genannten Vorwürfe
zutreffen.
Wir fragen daher: Will man gerade hier in Deutschland ernsthaft einen Mann auszeichnen, den das Simon-Wiesenthal-Center auf seiner Liste der Antisemiten des Jahres 2011 auf Platz 2 gestellt hat und
der sich weigert, die Hamas als Terrororganisation einzustufen? Steht die deutsche Öffentlichkeit denn völlig unkritisch zu Erdogans Behauptung, Muslime könnten keinen Völkermord begehen? Hat man in
Deutschland bereits vergessen, dass Erdogan sich ohne jegliche Bedenken durch den libyschen Diktator mit dem Gaddafi-Menschenrechtspreis auszeichnen ließ und auch jetzt keinerlei Anlass sieht, diesen
Preis abzugeben? Auch im Hinblick auf den Zypernkonflikt erwies sich Erdogan (ähnlich wie im Falle der Armenier) stets als Scharfmacher und nicht als Versöhner.
Wenn in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich Recep Tayyip Erdogan mit diesem Preis und aus diesem Anlass ausgezeichnet werden soll und sich auch noch ein sozialdemokratischer Altbundeskanzler
für die Laudatio hergibt, dann besteht nicht nur die Gefahr, dass dieses Land sich lächerlich macht, sondern auch, dass die Integration in Deutschland um Jahre zurückgeworfen wird. Das falsche
Signal, das eine Auszeichnung Erdogans darstellen würde, gilt es zu verhindern. In diesem Sinne fordern wir auch alle Beteiligten auf, der Auszeichnung fernzubleiben.
Es gibt in der Türkei durchaus viele Menschen, die sich wirklich für Demokratie, Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und individuelle Freiheiten einsetzen. Einen dieser Menschen hätte man von
deutscher Seite mit einer Auszeichnung würdigen können - anstelle von Herrn Erdogan.
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