Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Iptehal Z. / 7. Mai 2013

Am zwölften Verhandlungstag wurden einige Sachverständige sowie zwei Zeugen vorgeladen, die weitere Erkenntnisse im Fall der ermordeten Kurdin Iptehal liefern sollten. Beim ersten Sachverständigen handelte es sich um eine Rechtsmedizinerin, die aufgrund der Spurenlage bestätigte, dass der Fundort der Leiche auch gleichzeitig der Tatort war. Ihre Ermittlungen ergaben weiterhin, dass Iptehal wohl eine liegende, allenfalls sitzende oder kniende Position einnahm, als die tödlichen Schüsse abgefeuert wurden.

Ein zweiter Sachverständiger, ein Beamter des Landeskriminalamts, machte weitere Angaben zu den ballistischen Untersuchungen. Anhand der Schmauchspuren sei von einer Schussentfernung von 10 bis 20 cm auszugehen. Sowohl die Körperhaltung des Opfers als auch die Distanz, von der die Schüsse abgefeuert wurden, untermauern die Vermutung einer geplanten und gezielten Hinrichtung.

Die am Tatort festgestellten DNA-Spuren konnten laut dem dritten Sachverständigen, einem Biologen, lediglich dem bereits verurteilten Cousin Ezzedin zugeordneten werden. Alle weiteren Spuren seien nicht eindeutig genug. Der Biologe wies allerdings das Gericht darauf hin, dass ein "negativer Hinweis" nicht bedeute, dass die angeklagten Personen nicht am Tatort bzw. nicht an dem Mord beteiligt waren. Lediglich die Spuren können ihnen nicht zugeordneten werden.

"Ehrenmorde sind bei den Arabern üblich"

Die anschließende Befragung von zwei ermittelnden Polizeibeamten brachte nur bedingt neue Erkenntnisse. Weil die Familie der Angeklagten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, durften die Beamten nicht über ihre Vernehmung berichten, wohl aber über die Vernehmung der Angeklagten.

Der Beamte berichtete, dass Iptehals Mutter bereits am Todestag eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgegeben hatte. Sie sei mit der Handtasche von Iptehal bei der Polizei aufgetaucht und man habe sofort im Frauenhaus angerufen. Sie hätten die Antwort erhalten, dass alles wohl in Ordnung sei.

Der gleiche Polizeibeamte hatte auch den Vater von Iptehals Ehemann vernommen, der zunächst behauptet hatte, Iptehal nicht zu kennen. Im Laufe der Vernehmung bezeichnete er Iptehal als „die Araberin“ und gestand ein, sie doch gekannt zu haben. Es habe Konflikte gegeben, weil sein Sohn neben Iptehal noch eine türkische Freundin gehabt habe, die von seinem Sohn schwanger war. Aus diesem Grunde habe diese türkische Familie Iptehal und ihren Mann auch entführt, um diese Angelegenheit zu klären. Der Vater von Iptehal hätte 20.000,- € an die türkische Familie zahlen sollen, damit die Ehre ihrer schwangeren Tochter wiederhergestellt würde. Die arabische Familie hätte die Beziehung auch nicht akzeptiert.

Der türkische Vater von Ipthals Mann hätte sich auch sehr schnell dahin gehend geäußert, dass es sich wohl um einen Ehrenmord handele, da dies bei den Arabern doch noch so üblich sei. Der Zeuge erklärte aber, dass sein Fokus zum damaligen Zeitpunkt eher auf der Familie des Freundes bzw. der Familie der schwangeren Türkin gelegen hätte. Zumindest Letztere seien aber zum Tatzeitpunkt nachweislich in Marburg gewesen und schieden als Täter aus.

Iptehals Familie sei mit dem türkischen Freund auch nicht einverstanden gewesen. Nach der Trennung hätten sie ihm "richtig Stress gemacht". Der jüngere Bruder von Iptehal, einer der Angeklagten im Prozess, hätte dem türkischen Freund gedroht, dass wenn er noch einmal in ihre Nähe käme, würde er ihn "abstechen". Daher hätte der türkische Mann seit der Trennung auch keinen Kontakt mehr zu Iptehal gehabt.

Die Auswertung der Telefondaten

Ein Beamter der Mordkommission bestätigte vor Gericht, dass es am Tattag zu häufigen Telefonaten zwischen dem verurteilten Cousin Ezzedin und seinem angeklagten Vater Mohamad kam. Dabei sei das von Ezzedin genutzte Handy in unmittelbarer Umgebung des Parkplatzes eingeloggt gewesen, wo Iptehal ermordet wurde.

Mohamad wurde gefragt, warum er um 18:15 Uhr am Todestag noch am Fundort vorbeigefahren sei. Dies begründete er damit, dass er auf dem Weg zu einem Autohändler in Lüdenscheid gewesen sei, von dem er ein Auto hätte kaufen wollen. Dieser sei aus Magdeburg gekommen, doch man habe sich aber verpasst.

Bei der Vernehmung sei Mohamad dann vorgehalten worden, dass er mit seinem Sohn mehrfach nachts telefoniert hatte und er war nach dem Inhalt der Telefonate gefragt worden. Mohamad gab an, er habe sich Sorgen um seinen Sohn gemacht. Die Schwiegertochter sei "abgehauen" und der Sohn sollte sich "darum kümmern" und die "Flüchtige" zurückbringen. Außerdem hätte er sich Sorgen gemacht, weil Ezzedin eine weite Fahrt aus Norddeutschland machte. Allerdings war Ezzedin zum Zeitpunkt der Telefonate schon wieder aus Norddeutschland zurück.

Mohamad erklärte damals unmissverständlich, dass sein Sohn Ezzedin niemals einen Mord begehen würde. Solche Dinge wie "Ehrenmorde" gebe es auch nicht in Europa.

"Wir hatten kein Problem mit Iptehal"

Ein Beamter berichtete von der Vernehmung von Iptehals Bruder Hüsein. Dieser hätte bei dem Gespräch jegliche Probleme mit Iptehal bestritten. Am Tag ihrer Flucht wäre alles ganz normal gewesen. Man habe ihr eine neue Prepaid-Karte für ihr Handy gekauft, gemeinsam gegessen und dann sei man gemeinsam zur Familie in Schwerte gefahren. Hüsein habe sich dann vor den Fernseher gesetzt und nicht bemerkt, wie sie geflüchtet sei. Die Frage, was er denn im Fernsehen gesehen habe, konnte Hüsein dann aber nicht mehr beantworten, denn er sei wohl eingeschlafen.

Iptehal sei gekommen und gegangen, wie es ihr passte, so der Bruder. Er vermutete, dass der Täter aus dem Kreis von Iptehals türkischen Mann stammte oder zumindest von der Familie ihrer "Nebenbuhlerin". Angesprochen auf ein Foto, das ihn auf dem Sofa mit einer Waffe abbildet, reagierte Hüsein gelassen und erklärte, dass es eine defekte Waffe gewesen sei, und wisse gar nicht mehr, wo sie sich befinde.

Seit dem Tod des Vaters hätte die Mutter "alles geregelt" und er habe die Rolle eingenommen, auf seine Schwestern aufzupassen.

"Die Waffe warf ich aus dem Fenster"

Die Beamten machten auch Aussagen zur Vernehmung des Onkels Hussain, der ebenfalls im Prozess angeklagt ist. Diese lebte im Ausland und hatte offenbar finanzielle Probleme, weswegen er aus geschäftlichen Gründen öfter in Deutschland war. All zu viel Kontakt hätte er mit Iptehals Familie nicht gehabt.

Aus geschäftlichen Gründen verbrachte er fünf Tage in einem Hotel in Dortmund. Sein Neffe Hüsein habe ihn dann angerufen, der die Nummer von Verwandten aus Finnland bekam. Hüsein sei ins Hotel gekommen, wo sie sich unterhielten. Er klagte, dass Iptehals Lebenswandel Probleme bereitete und Hilfe brauche.

Eines Abends sei Hüsein nach Mitternacht im Hotel aufgetaucht und wollte mit ihm in ein Café, um mit Iptehal zu reden. Tatsächlich saß Iptehal bereits in dem Fahrzeug vor dem Hotel. Gemeinsam wären sie dann auf die Autobahn Richtung Frankfurt gefahren. Während der Fahrt soll es zu heftigen Streitereien zwischen Iptehal und Hüsein gekommen sei. Ezzedin sei daraufhin auf einen Parkplatz gefahren, damit der Onkel Hussein die beiden auf dem Rücksitz trennen konnte.

Die beiden hätten sich aber regelrecht ineinander verhakt. Dennoch sei es ihm gelungen Iptehal aus dem Wagen zu holen. Anscheinend zog er sie derart heftig aus dem Auto, dass sie gemeinsam hinfielen. Schlagartig hätte Hüsein eine Schusswaffe in der Hand gehabt und drohte zu schießen. Plötzlich hätten sich Schüsse gelöst und die drei Männer hatten beschlossen, den Parkplatz schnell zu verlassen. Die Waffe habe der Onkel Hussain nach etwa 20 Minuten aus dem Wagen geworfen. Hüsein hätten sie in Schwerte rausgelassen und Ezzedin fuhrt Hussain nach Amsterdam, von wo er nach Istanbul flog und dann nach Syrien flüchtete. In Syrien hätte man ihn gefangen gehalten, wo er sich nach drei Jahren freikaufen konnte und über Russland wieder nach Finnland reiste. Dort habe er sich dann den Behörden gestellt. 

Hussain betonte, dass er sein toleranter Mensch sei. Seine Töchter hätten auch "Ausländer" geheiratet und mittlerweile wieder geschieden. Das sei ihm aber alles "egal".

Erwähnt wurde abschließend noch, dass Iptehals Familie der Polizei um Weihnachten 2008 herum der Polizei ein Päckchen mit Süßigkeiten geschickt hatte und sich für die Bemühungen bei der Suche nach Iptehals Mörder bedankte.

Das Verfahren wird am 8. Mai 2013 fortgesetzt.

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Hagen, 7.5.2013
 

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