Gerichtsbeobachtungen von peri e.V. zum Ehrenmord-Prozess im Fall Iptehal Z. / 11. April 2013

Nachdem der 2. Verhandlungstag im Mordfall Iptehal ausschließlich juristischen Formalitäten gewidmet war, wurde der Prozess am 3. Verhandlungstag mit der Vernehmung der zwei Rechtsmediziner fortgesetzt.

Bei dem 1. Gerichtsmediziner handelte es sich um den Arzt, der am 31. August 2008 zum Fundort der Leiche gerufen worden war und auch die Obduktion durchführte. Er beschrieb die Schussverletzung als eine Durchschussverletzung am linken Jochbein, mit der das Gehirn stark verletzt wurde. Die Verletzung selber habe nicht unmittelbar zum Tode geführt, aber zu einer sofortigen Handlungsunfähigkeit. Bei Iptehal habe es sich um eine ansonsten organisch gesunde junge Frau gehandelt. Die durchgeführten toxikologischen Tests seien ebenso wie der Alkoholtest negativ geblieben.

Der 2. Gerichtsmediziner hatte den Obduktionsbericht ausgewertet und war zu dem eindeutigen Schluss gelangt, dass der Fundort auch der Tatort gewesen sei. Die Situation am Ort spreche für ein Ruhen des Kopfes bei der Schussabgabe. Die Schussverletzung sei offenbar einer liegenden Person zugefügt worden.

Da man am Tatort allerdings keine Projektile gefunden hatte, war auf Anregung dieses Sachverständigen der Erdboden unterhalb der Toten ausgehoben worden. In der Erde fand man dann zwei Projektile. Nach den Angaben dieses Sachverständigen spreche viel dafür, dass auf Iptehal noch ein zweiter Schuss abgegeben wurde, der sie allerdings höchstens streifte, da sich an der anderen Gesichtshälfte entsprechende Spuren fanden. Der Schuss in den Kopf sei auf jeden Fall tödlich gewesen, auch wenn man davon ausgehen kann, dass noch ca. vier Minuten Herzaktionen stattfanden und dann erst zu einem Kreislaufstillstand kam. Rettungschancen habe es für Iptehal nie gegeben.
 
Regungslosigkeit bei den Angeklagten

Die Angeklagten reagierten auf die sehr ausführlichen und bedrückenden Beschreibungen der Gerichtsmediziner überhaupt nicht. Dass dort der Todeskampf der Tochter/Schwester/Nichte beschrieben wurde, ließ die Angeklagten offenbar kalt. Teilweise unterhielten sie sich nett mit den Dolmetschern, während die Verteidiger gemeinsam mit Staatsanwaltschaft und Gutachtern die Fotos am Richtertisch in Augenschein nahmen.
 
Danach waren insgesamt sieben Zeugen vorgeladen worden und erschienen, die allesamt nähere Verwandte der Angeklagten und damit auch des Opfers waren. Zunächst der Cousin Ezzedin, der bereits verurteilt und aus der JVA Remscheid vorgeführt wurde. Des Weiteren erschienen zwei Schwestern sowie ein Bruder von Iptehal, ein Cousin, eine Cousine und eine Tante. Sämtliche Zeugen machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und verweigerten auch die Verwertung ihrer vor der Polizei gemachten Aussagen.
 
Das ist ihr gutes Recht. Es erstaunt aber doch, dass die Loyalität mit der Familie sich offenbar auf den Teil der Familie beschränkt, der dem mutmaßlichen Täterkreis entspricht. Iptehal wird diese Loyalität noch nicht einmal posthum zuteil.
 
Der Schein trügt

Erwähnenswert ist die Einlassung eines der Verteidiger. Er wies das Gericht darauf hin, dass die Zeugen doch alle einen sehr westlich orientierten Eindruck gemacht hätten und bezog dies ganz offenkundig auf die Kleidung der jüngeren Zeugen (die Tante Iptehals trug wie die angeklagte Mutter Kopftuch und einen langen Rock), wobei er insbesondere eine Zeugin, die mit gefärbten Haaren und Minirock erschien, erwähnte.

Wir von peri e.V. gehen allerdings davon aus und erwarten auch, dass sich das Gericht von diesen Äußerlichkeiten nicht blenden lässt. Wer den Prozess Arzu Özmen in Detmold verfolgt hat, der weiß, dass weder das äußere Erscheinungsbild noch eine nach außen vorbildlich integrierte Familie ahnen lässt, was sich hinter den verschlossenen Türen abspielt. Die Erlaubnis an eine Tochter, einen Minirock zu tragen, sagt wenig aus über die innere Einstellung zu individuellen Freiheitsrechten, um die es gerade bei den "Ehrenmorden" immer wieder geht. Denn erst das Ausleben dieser individuellen Freiheitsrechte, indem ein eigenständiges Leben geführt wird und eigene Entscheidungen über den weiteren Lebensweg gefällt werden, in dem die Betroffenen frei entscheiden können, mit welchem Partner sie ihr weiteres Leben verbringen werden, zeigt, ob der westliche Lebensstil, zu dem all das gehört, wirklich auch für die eigene Familie akzeptiert wird.
 
Das Verfahren wird am 16.4. fortgesetzt.

 

Brigitta Biehl
2. Vorsitzende peri e.V.
Hagen, 11.04.2013
 
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